Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona
Viel mehr als ein Tagebuch
Fotos: Martin, Hannes: Rudi Ferder, Karola: Getty Images
3. Mai 2020: Meine "Partners in Crime"
Jo hallo, hier ist der Kernölbotschafter. Neben den Professionen vieler Leute, deren Tun seit der nervenden Anwesenheit von Señora Corona endlich als relevant angesehen wird statt wie bisher nur als selbstverständlich – vom Krankenpfleger bis zur Dame an der Supermarktkasse –, gibt es eine Gruppe, die nicht unbedingt systemerhaltend ist. Sie stellt aber so etwas wie die Seele unserer Gesellschaft dar, denn sie produziert den intellektuellen Treibstoff aus Ideen, Theorien, Utopien und auch Fantasien, der unseren Hunger nach kreativem und konstruktivem Denken stillt. Oder uns, nicht weniger wichtig, alle Probleme und Sorgen für zwei glückselige Stunden vergessen lässt.
Es sind die Künstlerinnen und Künstler aller Sparten und Richtungen, von denen hier die Schreibe ist. Als Satiriker (wenn mich der HG noch ein einziges Mal Gaukler schimpft, kündige ich ihm augenblicklich die Freundschaft!) kenne ich selbstredend eher Kolleginnen und Kollegen im humorigen Bereich, aber vom Stress mit der spanischen Bierverkäuferin sind sämtliche Kulturschaffende betroffen.
Nach dem ersten Schock – keine Veranstaltungen vor Publikum bis weit in den Sommer – haben viele ihre Kreativmotoren (die sitzen gleich neben der Milz, das wissen die wenigsten) angeworfen und ihre Angebote, Auftritte, Kurse ins weltweite Netz verlegt. Nur ein schwacher Ersatz für einen Live-Auftritt, eh schon wissen, von der pekuniären Havarie ganz zu schweigen. Aber was da an Wohnzimmerkonzerten, Balkonarien, Hinterhofsolos und online kombinierten Freundschaftsgigs stattfindet, ist aller Ehren wert. Sogar riesige Chöre singen miteinander, obwohl jeder und jede für sich im stillen Kammerl hockt. Dadurch entsteht eine neue Form von Gemeinschaft, die den fehlenden persönlichen Kontakt zwar nicht aufwiegen kann, wohl aber zeigt, dass wir Menschen in unserer Fähigkeit, alternative Lösungen zu suchen, nahezu unendlich erfinderisch sind.
Vor ein paar Jahren – der HG und ich lebten noch in Salzburg – saßen wir nach vollbrachtem Tagwerk vor dem Fernseher. Das heißt, er war arbeiten, ich habe auf den Kuss irgendeiner Muse gewartet. Uns war ein bisserl fad, also zappten wir durch die Kanäle. Ein Fußballspiel (gibt’s schon fast jeden Tag – gähn), Das Traumschiff (suuuuuper, wie sich alle Dramen auf einem riesigen Touristendampfer in nur 90 Minuten lösen lassen – gääääähhhhhn!) und Armageddon (Bruce Willis und Co. retten wieder einmal die Welt, mit einem einzigen, klassischen Satz: „Ich weiß nicht, was Sie auf der Erde tun, Mr. President, aber wir haben hier ein Loch zu bohren!“ – gääääähhhhhnn!!!). Alles furchtbar langweilig. HGs Finger schwebte schon über dem kleinen roten Knopf auf der Fernbedienung, um alle Dramen auf einen Drücker zu beenden und ins Bett zu gehen.
Aber mit der Muse ist es wie mit der Liebe – sie küsst dich zumeist in einem Moment, wo du es am Allerwenigsten erwartest. Als die betrogene Ehefrau am Oberdeck endgültig mit Scheidung drohte, Bruce Willis alias Harry Stamper den allerallerletzten Bohrkopf verschraubte und der Kick in einem nervenzerfetzenden Elfmeterschießen seiner Entscheidung entgegenstiefelte, schauten der HG und ich uns plötzlich an.
„Denkst du, was ich denke?“ – Daraus könnte man etwas machen! – „Nicht könnte, mein lieber KB. Daraus werden wir etwas machen. Jetzt sofort!“
Nach einer Nanosekunde saßen wir am PC und legten los. Ich diktierte, und HGs Finger flogen schnell wie selten über die Tasten. Keine drei Stunden später – also weit nach Mitternacht, aber wenn die Lokomotive der Kreativität einmal brüllt und stampft, existiert ohnehin keine Zeit mehr – war alles getippt und korrigiert. Mit vor Müdigkeit kleinen Augen schauten wir auf unser Werk.
„Eigentlich muss man das zu dritt vorlesen“, meinte HG sinnierend, und ich stimmte ihm sofort zu.
Aber mit den richtigen Partnern.
„Korrekt. Das müssen Partners in Crime sein, echte Komödianten.“
Irgendwann werden wir sie finden.
Und wir haben sie gefunden. Einige Jahre vergingen, aber gut Ding braucht manchmal Weile. Bei einer Lesung hat HG unser Stück gemeinsam mit der besten Besetzung vorgetragen und wurde dafür tosenden Applaus belohnt. Wieder ein Jahr später kam Señora Corona, und so fand das kongeniale Trio wieder zusammen, um eine Home-Office-Pandemie-Version des Stücks aufzunehmen.
Voilà, hiermit präsentiere ich Martin Kosch (Kabarettist, Zauberer, Wuchtelkaiser von Graz) und Karola Sakotnik (Keynote-Speakerin, Kulturschaffende, Coach etc., Feldbach), mit denen ich das Stück Wer zappt, gewinnt! aufgenommen habe. Es warten zehn Minuten TV-Geschichte auf Sie –so haben Sie Fernsehen noch nie gehört!
Erkenntnis des Tages: Mit Freunden künstlerisch tätig sein – das gehört zu den erfüllendsten Momenten in meinem Leben. Martin kenne ich seit mittlerweile 29 Jahren, zwischen uns passt kein Blatt Papier. Karola wurde nach meiner Rückkehr aus Salzburg zu einer Freundin und geschätzten Kollegin. Die Arbeit mit ihnen trägt mich, lehrt mich und macht ungemein viel Freude. Danke dafür!
Zitat des Tages: „Das wird ein Riesenspaß!“ (Diesen Satz müsste ich dreimal anführen – wir alle haben ihn gesagt. Und so war es dann auch!)
Video des Tages: Wer zappt, gewinnt! (Um es abgewandelt mit dem legendären Karl Farkas zu sagen: Hören Sie sich das an!)
https://www.youtube.com/watch?v=bvxjlHCM-EU&t=134s