Euro, wir kommen!

Der EM-Blog des Kernölbotschafters

Chat-Chaos? Klima-Krise? Pandemie-Panik? Alles unwichtig – König Fußball ist zurück!

Nachdem die rotweißrote Truppe es – oh Wunder! - wieder einmal zu einem Großereignis geschafft hat, hofft der leidgeprüfte Fan gleich auf ein zweites: den ersten heimischen Sieg bei einer EM.

Ob das eintrifft oder nicht, kann der Kernölbotschafter nicht vorhersagen. Er verspricht hiermit jedoch hoch und heilig, die Europameisterschaft im satirischen Geiste des runden Leders zu begleiten und dabei hoffentlich den einen oder anderen literarischen Elfer zu versenken. Denn wie eine Fußballweisheit besagt: Nach dem Spiel ist vor der Satire. Euro, wir kommen!

 

Feder

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EM-Blog XI: Das Große und das Ganze (23.7.2021)

Jö schau, der Kernölbotschafter is in the house! Bist du vor lauter Begeisterung über den EM-Titel der Italiener in den Canale Grande gefallen? Zum Glück konnte verhindert werden, dass du in Commissario Brunettis 113. Fall als Wasserleiche vorkommst.

HG, das Niveau deiner Witze liegt wieder einmal deutlich unter dem Mariannengraben. Ich war auf Urlaub, der - bevor du auch nur auf die Idee kommst, etwas anderes zu behaupten - nach meinen kräfteraubenden Einsätzen bei der EM mehr als verdient war.

Soweit ich mich erinnere, sind wir die meiste Zeit vor der Glotze gesessen ...

... und haben die ganze Zeit aufgepasst! Versuch das einmal bei 50 Rosamunde-Pilcher-Filmen hintereinander! Nachher haben wir uns auch noch Geschichten dazu ausgedacht, das ganze Turnier über den literarischen Anspruch hoch und den Ball trotzdem flach gehalten - jedenfalls, soweit es meine Beiträge betrifft.

Du wandelst auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Einbildung, mein lieber KB. Aber ich hoffe trotzdem für dich, du hast dich gut erholt.

Das, mein lieber HG, hängt entscheidend davon ab, was du jetzt von mir willst.

Nichts Schlimmes, keine Sorge. Wir sollten einen abschließenden Blog über die EM schreiben, sozusagen das Große und Ganze noch einmal beleuchten. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Der Kellner meines Salzburger Lieblingsitalieners beim Servieren einer Pizza!

Dazu fallen mir angesichts deines doch beträchtlichen Baucherls spontan zwei Fragen ein: Ist dir klar, dass nicht nur die Gastronomie wieder geöffnet hat, sondern auch die meisten Sporthotels? Vielleicht solltest du bei deinem nächsten Urlaub mehr Aktivitäten einstreuen als nur Spaziergänge zwischen der Pizzeria Toscana, dem Augustiner Bräu und der Konditorei Fürst. Apropos, was kosten die Mozartkugeln heuer?

Du bist doch nur neidisch, weil ich dich diesmal nicht mitgenommen habe, HG! Deine erste Frage muss ich nicht beantworten, weil mein Körpergewicht unter die Datenschutzgrundverordnung fällt. Und auch bei der zweiten muss ich dich leider enttäuschen: Ich war kein einziges Mal beim Fürst, immer nur beim Tomaselli auf ein Himbeertorterl.

Sorry, die Mozartkugeln sind mir gedanklich in die Parade gerollt. Meine zweite Frage war eigentlich: Was hat ein Pizzakellner mit Fußball zu tun? Der Konnex zu Italien ist mir schon klar, aber meistens sind deine Vergleiche treffender.

Nur weil du meine Vergleiche nicht gneißt, sind sie keinesfalls unzutreffend. Also nur für dich, extra langsam und zum Mitschreiben: Wenn ich den italienischen Tormann Donnarumma gesehen habe, musste ich immer denken: „Wenn der in seinem nächsten Leben Pizze serviert, braucht er dafür nicht einmal ein Tablett!“

Du hast recht, das Bild passt perfekt. Aber warum erst im nächsten Leben?

Mein Gott, du bist echt urlaubsreif, HG! Weil dieses Riesenbaby nach der Karriere kein Geld mehr verdienen muss! Erst recht nicht nach seinem ablösefreien Wechsel zu den Scheichs nach Paris. Geld schießt vielleicht keine Tore, aber in diesem Fall wird es welche verhindern, so viel steht fest.

Der wird einer der besten Tormänner seiner Zeit werden, zweifellos. Wie er den Schuss unseres Louis Schaub pariert hat, war leider beeindruckend.

Suder nicht herum, die Milch ist längst verschüttet. Österreich hat bei der EM mehr erreicht, als vorher zu erwarten war. Und zusätzlich haben wir für einen Skandal gesorgt, über den jede Zeitung berichtet hat.

Erinnere mich nicht daran. Wer weiß, wenn unser Marko gegen Holland gespielt hätte ...

Hättiwaritäti - wieder einmal bringst du den berühmtesten Österreicher ins Spiel. Können wir uns nicht darauf einigen, dass es eine tolle EM war, auch für uns? Ich meine, wie oft werden wir behaupten können, bei einem großen Turnier weiter gekommen zu sein als die Deutschen?

Wieso? Beide Mannschaften sind im Achtelfinale rausgeflogen.

 Aber wir haben es gegen den späteren Sieger in die Verlängerung geschafft, das zählt mehr!

Wie du meinst. Was gab es noch?

Über die Profitgeierei der UEFA hast du schon geschrieben. Ich möchte dazu ergänzen, dass auch die Bildregie der zuständigen Damen und Herren fragwürdig war. Erinnere dich an den Herzstillstand von Christian Erikssen. Da haben Sie ihre Kameras draufgehalten, als ob sie sich der geilen Schlagzeilen wegen wünschen würden, dass der Däne dort krepiert. War aber ein Flitzer unterwegs, gab es auf einmal nur mehr Standbilder von stehenden Spielern im Stillstand!

5 Euro in die Schlechte-Wortspiele-Kasse!

Meinetwegen, aber du weißt, was ich meine.

Sicher. Trotzdem sind wohl auch die Leute der UEFA froh, dass der Däne überlebt hat und auf dem Weg der Besserung ist. Du kennst eh den Spruch von Olympia 72: The Show must go on.

Hoffentlich geht die Show auch für unsere Burschen weiter. Die ersten Spiele in der WM-Quali waren nicht wirklich prickelnd.

Da borge ich mir jetzt ganz frech zum falschen Zeitpunkt gesprochene Worte aus, die in diesem Fall perfekt passen: Die Richtung stimmt.

OMG! Du zitierst zukünftige Ex-Politikerinnen, HG! Höchste Zeit, den EM-Blog abzuschließen.

Und du gehst wieder als Gangsta-Rapper für Arme, KB! Also stimme ich dir vorbehaltlos zu. Eine Frage habe ich aber noch: Bist du für unseren Abend am 23.7. in Feldbach schon vorbereitet?

Besser als du … vermutlich denkst.

Da hat jetzt einer gerade noch die Kurve gekratzt!

Darin bin ich unübertroffen, wie du weißt.

Kannst du für unsere Leserinnen und Leser die EM in einem Satz zusammenfassen, oh KB, du Unübertroffener?

Nur wenn ich dann einen Wunsch frei habe.

Kommt auf den Wunsch an.

HG, spring über deinen Schatten! Meine Kreativität muss dir doch eine Kleinigkeit wert sein.

Sie ist mir sogar sehr viel wert. Gut, Deal. Wie lautet der Satz?

EM 2020: Das Unglück begann mit einem Eigentor, das Glück mit der Sohle von Bukarest!

Das können wir so stehen lassen. Also, wie lautet dein Wunsch?

Ich möchte eine Geschichte aus unserem Blog ins Programm am Freitag nehmen.

Welche schwebt dir vor?

Das, mein lieber HG, flüstere ich dir, wenn wir gemeinsam auf der Bühne sitzen und der Moment gekommen ist.

Ich fürchte mich jetzt schon!

Und ich freu mich auf Freitag. See you on Feldbacher Kirchenplatz!

Bild des Tages: La vita è bella! (Foto: Stuttgarter Nachrichten)

Squadra Azzurra

Song des Tages: The Show Must Go On von Queen. Die britische Kultband und ihr viel zu früh verstorbener Sänger Freddie Mercury haben die Weisheit, dass es immer weitergeht und man weder sein Lächeln verlieren noch jemals aufgeben darf, in einen perfekten Rocksong umgesetzt.
https://www.youtube.com/watch?v=t99KH0TR-J4

 Feder

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EM–Blog X: Pecunia non olet (10.7.2021)

Hin und wieder passiert es dem geneigten Fußballfan trotz bester Vorbereitung (Murauer Bier eingekühlt, Pringles und M&Ms in Jahresvorratsmenge auf Armeslänge bereitgestellt, Fahne des liebsten Teams um die Schultern gelegt, Schal des zweitliebsten Teams um den Hals gewickelt), dass er eine nicht unbedingt sehenswerte Partie erwischt. Da es klarerweise wenig Sinn macht, die oben erwähnte Vorbereitung verfrüht wegzuräumen – während der Vorrunde fanden ohnehin bis zu vier Spiele täglich statt –, lenkt der Fan seine Aufmerksamkeit weg vom Geschehen auf dem Rasen, hin zu nicht weniger interessanten Dingen rundherum.

So erging es mir bei der Partie Kroatien gegen Tschechien, einem grottenschlechten Kick. Bisweilen bewegte sich die Schrift auf den elektronischen Werbebanden schneller als die Spieler auf dem Feld. Die künstlichen Konsumkuriere kamen ihrer Aufgabe zudem deutlich effizienter nach als die 22 (in diesem Fall) überbezahlten Berufssportler, was meine Augen alsbald einen interessanten Blicksprung-Wettkampf veranstalten ließ: Querpass misslungen – Qatar Airways – Abstoß verhaut – Alipay – Torchance vergeben – TikTok – Ball verstolpert – Booking.com – Ferse in die gegnerische Kniekehle versenkt – FedEx – cholerische Trainer beruhigt – Coca Cola – hoffnungslose Überforderung auf allen Seiten – Hisense TV – Verschwendung von zwei Stunden bejammert – Volkswagen.

Jetzt mögen manche von Ihnen meinen, schlechter als diese Wortspiele kann das Match auch nicht gewesen sein. Das kann durchaus stimmen, doch ich möchte Sie auf eine andere Fährte locken. Das derzeit laufende, von uns allen verfolgte, geliebte und auch gehasste Event (Achtung: schon wieder Neudeutsch-Alarm!) nennt sich Fußball-Europameisterschaft. Na, klingelt's?

Man muss sich das echt auf dem Züngerl zergehen lassen: Da bejammern Politiker und -innen aller Couleur quer über den Kontinent die wirtschaftliche Schwäche Europas und dass wir alle miteinander Gefahr laufen, zwischen den großen Blöcken Asien und Nordamerika zerrieben zu werden. Wenn sich jedoch die perfekte Möglichkeit auftut, die eigene, durchaus vorhandene Power weltweit ins gleißende Licht der Medienöffentlichkeit zu wuchten, findet die UEFA einen einzigen europäischen Sponsor? An dieser Stelle passt wohl ein leicht abgewandeltes Sprichwort am besten: Wer zahlt, macht Werbung.

Während des gesamten Turniers hat sich die Union of European Football Associations als geldgeiler Krösus erwiesen, dem der eigene Profit über alles geht. Woher die werbenden Konzerne stammen, spielt keine Rolle – Hauptsache, der Rubel rollt. Aus dem exklusiven Kreis der Bandenwerber stechen zwei besonders heraus: Der chinesischen Kurzvideoplattform TikTok droht in Italien heftiges Ungemach, weil dort eine Zehnjährige nach einer auf diesem Netzwerk (hier das Wort sozial einzufügen hieße, die Pietätlosigkeit auf die Spitze zu treiben) verbreiteten Mutprobe verstorben ist. Und Hisense, ein ebenfalls aus dem Reich der Mitte stammender Produzent von Flachbildfernsehern, steht mit seinen Produkten eher auf einer Stufe mit Dacia als mit Porsche. Was soll damit vermittelt werden? Die Spiele sind toll – da macht es nichts, wenn die Bildqualität Mist ist … Der an gestochen scharf in Szene gesetzte Zweikämpfe gewöhnte Sofasportler hat da wohl einen etwas höheren Anspruch.

Warum Gier im Alten Testament mit aller Berechtigung zu den Todsünden gezählt wird, beweist ein weiteres Detail dieses paneuropäischen Turniers. So sehr man sich darüber freuen darf, Fußball wieder vor Zuschauern zu erleben: In Anbetracht einer Pandemie samt sich rasch ausbreitender Delta-Variante ist der Massenandrang in Budapest und London doch zumindest fragwürdig. Die UEFA hat strenge Kontrollen nach der 3G-Regel versprochen, andererseits aber Irland Spiele entzogen, weil die dortige Regierung eine Austragung vor Publikum nicht garantieren wollte. Mittlerweile wurde das Turnier zum von vielen Experten befürchteten Superspreader-Event: Mehrere tausend CovID-Infektionen sind auf Fans in Russland zurückzuführen. Aus Ungarn, wo es überhaupt keine Beschränkungen gab, wird man wohl nichts Genaues in dieser Sache erfahren; wie Ministerpräsident Viktor Orban zu Regenbogenfahnen und unabhängigen Medien steht, hat er oft genug kundgetan.

Nach dem Finale werden alle ein tolles Turnier bejubeln und die UEFA einen feinen Schnitt gemacht haben. Denn an der Weisheit, die schon bei den alten Römern galt, hat sich bis heute nichts geändert: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht.

Zitat des Tages: „Morata verschießt seinen Elfer, hundertprozentig!“ Woher Martin Kosch, Freund und Kabarettist hohen Ranges, seine Gewissheit nahm, hat er mir nicht verraten. Genau so kam es im Semifinale Italien – Spanien; der Weg ins Finale für die Squadra Azzurra war geebnet.

 Song des Tages: Money von Pink Floyd. Über den Schmierstoff der Menschheit wurde viel geschrieben, gesungen und philosophiert. Der Song der britischen Kultband, veröffentlicht vor 48 Jahren auf ihrem Klassiker The Dark Side of The Moon, gehört zu den eindringlichsten Beispielen.
https://www.youtube.com/watch?v=-0kcet4aPpQ

Feder

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EM-Blog IX: Europa rückt zusammen (2.7.2021)

Das Achtelfinale ist geschlagen. Wir haben großteils spannende Spiele auf hohem Niveau gesehen. Eher mau waren nur der hohe dänische Sieg über Wales - hier trat der Klassenunterschied zu deutlich hervor - und die peinliche Darbietung der Holländer gegen Tschechien. Vor dem Turnier und erst recht nach drei Siegen in der Vorrunde als einer der Favoriten gehandelt, spielte die Elftal gegen die doch eher biederen Handwerker aus unserer nördlichen Nachbarschaft keine einzige Chance heraus und ging so hochverdient wie niedergeschlagen als Verlierer vom Platz.
Aber sonst durchwegs pipifeine Partien; vier mit Verlängerung, eine davon mit finalem Showdown vom Elferpunkt. Sohin wunderte es keinen der zahlreichen Experten, dass drei vermeintliche Außenseiter die nächste Runde erreicht haben. Die Schweiz, Tschechien und die Ukraine schreiben ihr jeweiliges Sommermärchen und haben vor, das eine oder andere Kapitel anzufügen.
Fußballeuropa rückt zusammen. So lautet wohl die wichtigste Erkenntnis nach dem bisherigen Turnierverlauf. Mannschaften, die bisher als Außenseiter galten, haben aufgeholt. Spielerische Unterlegenheit machen sie mit enormem Einsatz und robuster Kampfkraft wett. Sie laufen buchstäblich bis zum Umfallen - mit diesem Biss (und natürlich auch dem nötigen Glück) retteten sich Kroatien und auch die Schweiz trotz eines Zwei-Tore-Rückstands knapp vor Schluss in die Verlängerung. Und wir alle erinnern uns wehmütig daran: Gleiches - kurz vor der historischen Chance auf ein Elfmeterschießen - wäre unseren rotweißroten Heroen auch beinahe gelungen.
Fußball ist ein Gesamtkunstwerk, wenn er von Meistern ausgeübt wird. Nahezu die ganze Welt erfreut sich daran, erliegt seiner Faszination. Der Grund dafür wurde uns in beeindruckender Weise in die Wohnzimmer geliefert; frei Haus und in Farbe, mit allen Emotionen, Höhen und Tiefen. Auch die Rückkehr der Fans in die Stadien trägt zum gelungenen Spektakel bei, wobei zu hoffen ist, dass die mancherorts doch großen Menschenansammlungen nicht zu den befürchteten Folgen führen.
Gemeinsam mit dem Kernölbotschafter und den Fans rund um den Erdball freue ich mich auf das heute beginnende Viertelfinale. Prognosen sind schwierig bis unmöglich - siehe oben. Deshalb schließe ich diesen Blog mit jenen Weisheiten, deren Gültigkeit seit dem erstmaligen Versenken des runden Spielgerätes in einem Kreuzeck besteht: Der Ball ist rund, ein Spiel dauert mindestens 90 Minuten, und aufgegeben wird immer nur ein Brief!

Zitat des Tages: “Das Zurückholen von Mats Hummels und Thomas Müller hat sich als falsch herausgestellt.” So seriös das von mir geschätzte Hamburger Wochenblatt “Die Zeit” auch sein mag - der Fußballkommentar schafft es wie in vielen anderen Medien nur auf Biertischniveau. Frage an alle, die es nachher immer besser wissen: Wie wäre euer Urteil wohl ausgefallen, wenn Bayern-Star Müller seine hundertprozentige Chance versenkt statt vernebelt und Deutschland den Three Lions in der Folge ein weiteres Wembley-Trauma umgehängt hätte???

Video des Tages: “Somewhere in Europe” von Liam Reilly. Der Beitrag des kürzlich verstorbenen Iren zum Eurovisions-Songcontest im Jahr 1990 passt hervorragend zum Titel dieses Blogs. Besonders gefällt mir die wunderbar altmodische Vorstellung des Liedes!
https://youtu.be/Tt5_D0hq6xU

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EM-Blog VIII: Der Fußballgott ist halt doch Italiener (29.6.2021)

Gut, dass du kommst, KB. Du musst mir bei der Lösung eines diffizilen Problems helfen.
Meine Güte, HG, die Leuchten auf der Kaffeemaschine habe ich dir schon sooo oft erklärt! Entweder ist der Wassertank leer oder der Satzbehälter voll!
Sehr witzig. Darf ich dich daran erinnern, dass ich die Maschine höchstpersönlich ausgesucht habe? Es geht klarerweise um etwas ganz anderes, um das Thema Nummer eins: Was schreiben wir in unserem Blog über das Italien-Spiel?
Willst du meine ehrliche Meinung hören? Zwei Wörter reichen: SCHEISS V.A.R.!!!
Nicht so laut! Du ruinierst noch meinen hart erarbeiteten Ruf als literarischer Schöngeist.
In diesem Fall ist mir das sch...-!
Na na na!
Total egal. Aber nicht einmal du kannst mir weismachen, dass du dich nicht schöngeistig geärgert hast. Gib es zu, HG!
Natürlich habe ich das! Hätte das Tor unseres Marko Nationale gezählt, wären wir wohl als Sieger vom Platz gegangen.
Und hätten dann gegen Belgien alle Chancen gehabt! Wie man gegen Portugal gesehen hat, kochen die auch nur mit Wasser.
Aber mit heißerem. Also, was schreiben wir? “Tapfer gekämpft, mit Anstand verloren”? 
OMG! Das klingt wie ein Seitenblicke-Beitrag über ein Charity-Golfturnier für zuckerkranke Waisenkinder unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten!
OMG? Bist du jetzt endgültig ins Lager der weißen Gangsta-Rapper gewechselt?
Das Kürzel kennst du nicht? Wo hast du denn deine Zeitmaschine geparkt, HG? Ich meine, irgendwie musst du ja im 21. Jahrhundert gelandet sein.
Heute hat dein Scherzküberl wieder einen ganz tiefen Boden, KB. Du hättest auch ganz einfach “Oh mein Gott!” sagen können. Wenn du zum aktuellen Thema eine bessere Idee hast, so teile sie mit mir, oh Kernölbotschafter, Meister der Satiren!
Weißt du, woran ich bei dem Standbild denken musste, mit dem sie Nautls Abseitsstellung nachgewiesen haben?
Du wirst es mir sicher gleich sagen.

Klar, weil ich ein Netter bin. An das letzte Papstbegräbnis - genauer gesagt, an seine roten Schuhe.
Manchmal sind deine Gedankengänge erstaunlich weitläufig, KB.
Das kommt nur dir so vor, weil du sie nicht checkst. Aber ich kläre dich gerne auf: Die roten Schuhe vom toten Papst waren wahrscheinlich auf den Zentimeter gleich lang wie der Abstand zwischen “Marko ist auf gleicher Höhe” und “Marko steht im Abseits”. Falls du es noch einfacher brauchst, zwischen Himmel und Hölle - was wiederum für den Papst sehr gut passt. Willst du meine Schlussfolgerung auch noch hören?
Wie könnte ich je darauf verzichten?
Der Fußballgott ist halt doch Italiener. Wenn die gerade nicht spielen, ist er Deutscher.
Wegen Benedikt, dem Altpapst?
Nein, weil sie in Turnieren meist so viel Dusel haben. Das werden wir heute vielleicht wieder sehen. Oder denk nur an ihr Spiel gegen die Ungarn - quod erat demonstrandum, wie der türkische Schiedsrichter Cakir über die Deutschen zu sagen pflegt.
Ist das nicht Latein?
Das weiß nur die Sphinx bei den alten Griechen. Jedenfalls, Österreich kommt in der Gunst des Fußballgottes, der übrigens Gigi heißt und bei Bassano del Grappa in einem alten Grappafass wohnt, irgendwo ganz weit hinten dran, zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraren und Burundi.
Spannend! Hast du auch recherchiert, warum wir genau zwischen diesen beiden Staaten liegen?
Nein, das habe ich soeben improvisiert. Meine Talente sind sonder Zahl.
Weißt du, was deine beiden größten Talente sind, mein lieber KB? Schmäh führn und Gschichtln druckn. Aber darin bist du ein wahrer Könner, ohne Zweifel. Kannst du auch in die Zukunft schauen und mir sagen, wer die EM gewinnt?
Na, ich hoffe doch Italien! Wir müssen doch damit angeben, gegen den späteren Europameister ausgeschieden zu sein!
Danke für deine Ezzes, lieber KB. Dann schreibe ich jetzt unseren Blog.
Immer wieder gerne, lieber HG. Übrigens, wenn du einen Kaffee willst: Der Satzbehälter ist voll ...

Bild des Tages: Der Unterschied zwischen Himmel und Hölle beträgt manchmal tatsächlich nur eine Schuhlänge. Dieses offizielle Bild belegt Marko Arnautovics Abseitsstellung kurz vor seinem vermeintlichen Führungstor, welches eine ganze Nation innerhalb weniger Minuten von “himmelhoch jauchzend” nach “zu Tode betrübt” schickte. (Foto: orf.at)

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Song des Tages: Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gerne ich an dieser Stelle Reinhard Fendrichs “I am from Austria” gepostet hätte. Aber wir haben verloren, und deshalb heißt es ab sofort: “Forza Italia!” Möge auch das Finale zu einer italienischen Nacht werden! Hier eines meiner liebsten Canzoni aus dem Bel Paese. 
https://youtu.be/11GgxS0pYrs

Feder

 

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EM-Blog VII: Fußball schauen mit Pessimisten (25.6.2021)

Nachdem mich Freund Uwe aus unerfindlichen Gründen nicht gebeten hat, nach Bukarest mitzukommen – mit dem Kernölbotschafter als moralische Unterstützung hätte Marko Nationale seine Top-Chancen aber sowas von sicher verwertet –, musste ich mir zum Daumendrücken für unser Spiel des Jahrhunderts eine andere Location suchen. Nein, falsch; die perfekte Location habe ich in meinem Wohnzimmer samt Flatscreen und Couch, auf der ich ungefragt alle Viere von mir strecken kann. Genauso fraglos ist es aber lustiger, ein entscheidendes Entscheidungsspiel, in dem die eigene Truppe nach Jahrzehnten wieder historisch und heroisch Geschichte schreiben kann, gemeinsam mit einer Runde bedingungslos loyaler und dem gemeinsamen Ziel vollstes Vertrauen entgegenbringender Fans zu verfolgen.

Martin, schauen wir uns das Ukraine-Spiel gemeinsam an?, whatsappe (schön langsam gefällt mir mein hippes Neudeutsch) ich deshalb gleich an die erste mir in Sachen Fußballleidenschaft in den Sinn kommende Person.

Kumm zu mir, daunn samma mehr, whatsappt er mir Sekunden später auf steirisch zurück. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen; also fanden sich am Montag um Punkt 18 Uhr gezählte sieben Personen vor einem Flachbildschirm in Graz ein, neben welchem der meinige wie ein Tablet-PC für die Sakkotasche wirken würde. Dass ich dafür meinen Plüschhasen Archibald auf unserem Sofa zurücklassen musste, war für die knapp zwei Stunden des entscheidenden Entscheidungsspiels (sagte ich das schon?) verschmerzbar.

Und es ging vielversprechend los! Unsere Spieler, endlich in rotweißrot, wie es sich gehört, rannten wie aufgezogen, zwangen die Ukrainer immer wieder zu Ballfehlern. Kein schmerzhaftes Kopfballduell wurde gescheut, keine bis an die Belastungsgrenze der Adduktoren gedehnte Grätsche ausgelassen. In der 21. Minute avancierte der kleine Christoph Baumgartner zum großen Helden: Obwohl er kurz zuvor eine heftige Kopfnuss hatte einstecken müssen, schwindelte er sich bei einem Corner von David Alaba zwischen zwei gelbblaue Abwehrhünen durch und hielt in dem vollen Wissen, demnächst gesandwicht zu werden, kess seine weiße Schuhsohle nach vorne. Diese touchierte den Ball im perfekten Winkel, Torhüter Bushchan hatte nicht den Hauch einer Chance – 1:0 für uns! Wer nun glaubt, mit der Führung im Rücken würde alles leichter gehen, der hat sich noch nie mit der österreichischen Fanseele beschäftigt. Diese lässt sich, wichtige Spiele des Nationalteams betreffend, mit drei Aussagen beschreiben, wogegen die Dogmen des Papstes unverbindlichen Empfehlungen gleichen.

a) Wenn es noch 0:0 steht: „Knapp vor Schluss fressen wir sicher wegen eines blöden Abwehrfehlers ein Tor!“

b) Wenn Österreich 0:1 hinten liegt: „Ich habe immer gesagt, dass wir gegen die Deutschen / Italiener / Franzosen / Engländer (Lieblingsgegner unterstreichen) keine Chance haben! Warum schaue ich mit diesen Drama überhaupt an?“

c) Wenn Österreich 1:0 führt: „Das kann nicht gut gehen! Schon wieder ein Ballverlust von Hinteregger / Dragovic / Alaba / Lainer (den unfähigsten Verteidiger rot durchkreuzen)! Das halten die niemals 70 Minuten durch! Oh mein Gott, ich kann gar nicht hinschauen!“

Angesichts dieser negativen Suderei, die der Chronist länger fortführen könnte, als das Alphabet Buchstaben hat, ist es nicht verwunderlich, dass das Buch Die Angst des Tormannes beim Elfmeter vom österreichischen Nobelpreisträger Peter Handke stammt. Bald wird dieses Standardwerk heimischer Literaturgeschichte um den Bestseller Die Angst des Teamchefs vorm Gewinnen – Die Franco-Foda-Story ergänzt werden. Dabei handelt es sich, soviel kann ich schon verraten, um ein Schlaflied in 13 Strophen, verfasst von Helge Payer. 

Aber zurück zum Spiel. Die Erleichterung in unserer Runde über die Führung wich alsbald wachsender Unruhe, nachdem Marko Arnautovic eine hundertprozentige Chance vergeben hatte, und dann gleich noch eine. Angespannte Gesichter rund um mich; niemand wollte die situationstechnisch typische Fußballweisheit von sich geben: Tore, die man nicht schießt, kriegt man! Ich dagegen war ganz entspannt. Der zu unseren Gunsten ablaufende Spielfilm war mir noch vor Baumgartners Geniestreich klar geworden. Die Abwehr stand bombenfest; im Mittelfeld wuselten Laufmaschine Schlager und Feinmechaniker Baumgartner, dass den klobigen Ukrainern Hören und Sehen verging; im Sturm blieb Arnautovic, obwohl heute in der Rolle des Chancentodes, ein ständiger Unruheherd. Die Jetzt-sollten-wir-vielleicht-doch-ein-Tor-schießen-Versuche der Gelbblauen blieben Versuche. Sohin löffelte ich in der Pause zufrieden den äußerst gschmackigen Thunfischsalat, den Martins Mutter Renate für die Runde als Matchzehrung vorbereitet hatte.

Nach Wiederanpfiff änderte sich am Charakter der Begegnung wenig bis nichts. Aus unerfindlichen Gründen stieg jedoch der Nervositätspegel der Fans um mich minütlich an. Jeder misslungene Pass ließ irgendwen scharf die Luft einziehen, jede vergebene Chance ein „Das geht schief, das geht sowas von schief …!“ zwischen gepressten Lippen entweichen. Bald hielt ich dieses Herumnerverln nicht mehr aus und sagte deshalb im Brustton der Überzeugung: „Entspannt euch, das passt schon. Heute gewinnen wir.“

„Und woher weißt du das so genau?“, wollte Renate zwischen zwei hektisch gepafften Zigarettenzügen wissen.

„Ich habe es im Gefühl, ganz einfach.“

„Vorher sagen das alle“, warf ihr Lebensgefährte Karl ein, nicht wenig gereizt. „Nachher, wenn der Bachmann eines seiner halblustigen Dribblings im eigenen Strafraum verhaut und so ein richtiges Eiertor kassiert hat, sind sie schmähstad.“

Doch auch das geschah nicht. Unser Torhüter Daniel Bachmann hielt sogar den Sieg fest, als er reaktionsschnell verhinderte, dass sich Stefan Lainer per Kopfballabwehrversuch in die schon erstaunlich lange Liste der Eigentorschützen bei dieser EM eintrug.

Nach dem Schlusspfiff, als sich die Spieler am Bildschirm in den Armen lagen und wir vor dem Bildschirm gegenseitig abklatschten, konnte ich es mir einfach nicht verkneifen: „Na, was habe ich euch gesagt?“

„Naja, fast wäre es noch schiefgegangen“, grummelte Karl.

„Wir haben ganz schön viel Glück gehabt“, raunte Renate, erleichtert einen tiefen Zug nehmend.

Mit Pessimisten Fußball schauen ist echt die Höchststrafe! Beim nächsten Mal bleibe ich auf meiner gemütlichen Couch; Archibald redet nicht viel, teilt aber wenigstens meinen Optimismus.

Foto des Tages: Für alle die glauben, ich habe meinen Plüschhasen Archibald nur erfunden, weil er mir gut in die Dramaturgie dieses Blogs passt: Voilà, hier ist er, auf meiner Couch.

Archi2 kl

Song des Tages: Strada del Sole Nach dem Sieg gegen die Ukraine ist vor dem Spiel gegen Italien! Offensichtlich ist das Selbstbewusstsein der Österreicher nicht gerade klein; seit der vierfache Weltmeister als unser nächster Gegner feststeht, läuft dieser Uralthit von Rainhard Fendrich viel öfter auf allen heimischen Radiosendern. Die letzten zwei Verse mögen unser Motto sein!
https://www.youtube.com/watch?v=JiufUNo3mEQ

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EM-Blog VI: Inkognito in Amsterdam (20.6.2021)

Jö schau, der Kernölbotschafter schaut auch wieder einmal in der Redaktion vorbei. Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben!

Du hast leicht reden, HG! Du sitzt in deinem klimatisierten Büro, schlürfst gekühltes Summer Lava und sinnierst, was dieser vorlaute Bua dem Nordmazedonier an die Stirn geworfen haben könnte!

Also ich halte dem Blog für gelungen. Auch die Leserreaktionen waren …-

Machst du jetzt einen auf Herbert Prohaska, oder was? Sicher war der Text nicht schlecht – vor allem wenn man bedenkt, dass er von dir ist und nicht von mir –, aber am meisten hätte es gebracht, wenn du ihn gar nicht hättest schreiben müssen! Der Nautl, wie unser Satirekollege Alex Kristan ihn nennt, hat an allen Ecken und Enden gefehlt!

Satirekollege? Alex Kristan ist ein Meister, dagegen sind wir zwei nur Lehrbuben. Aber in der Sache kann ich dir nicht widersprechen. Wobei natürlich offenbleibt, ob das Spiel mit Arnautovic anders ausgegangen wäre.

Es wäre anders abgelaufen, da kannst du sicher sein. Nach dem ersten Konter, bei dem unsere Truppe namens „Absolut ahnungslos in der Ajax-Arena“ abwechselnd Quer- und Rückpässe produziert hätte, wäre Marko komplett ausgezuckt. Das hätte bei allen anderen wie ein Defibrillator auf Speed gewirkt, nur für die Beine!

Das war jetzt aber eine tiefe Anspielung.

Es war auch ein tiefes Spiel. Aber du liegst falsch. Ich dachte bei „Defibrillator“ gar nicht an Christian Eriksen, dem es zum Glück wieder besser geht. Erinnere dich an unser Testspiel gegen die Slowakei: Kaum war Marko eingetauscht, sind sämtliche Spieler wie aufgezogen grennt, der Goalie logischerweise ausgenommen. Wie bei manchen Firmen, wenn der Chef unvermutet auftaucht. Wenn ich an die viele Kohle denke, die jeder Einzelne verdient, sollte das eigentlich Motivation genug sein.

Du hast ja recht, lieber KB. Aber der frühe Elfer war halt auch Pech.

Pech, wenn ich das schon höre! Der angebliche Weltklasseverteidiger Alaba soll halt nicht so deppert ungeschickt hinsteigen!

Immer weißt du es besser! Wenn du meine Meinung hören willst: Ich bleibe optimistisch. Gegen die Oranje war kein Punkt eingeplant. Beim Ukraine-Spiel ist Arnautovic wieder dabei, und er wird den Unterschied ausmachen.

Du meinst den Unterschied zwischen knapper Niederlage und Vollwatschn?

Lassen wir sie erst einmal spielen. Streiten können wir danach immer noch.

Wusstest du übrigens, dass ich inkognito in Amsterdam war?

Nein! Wie das?

Ich bin als blinder Passagier mit einer LKW-Ladung Kernöl mitgefahren. Natürlich gab es keine Karte mehr, doch ich habe mich einfach in der Fanzone als frustrierter Deutscher ausgegeben und war sofort akzeptiert.

Deren Frust dürfte sich mittlerweile auch in Lust verwandelt haben.

Weiß ich, aber am Donnerstag noch nicht. Jedenfalls, ich wurde auf einen Genever nach dem anderen eingeladen. Unglücklicherweise hat das meine Zunge gelockert und meine Vorsicht reduziert. Irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit entfuhr mir ein lautes „Was für ein Scheißspiel!“ – schon war ich enttarnt. Ich konnte nur noch flüchten und bin in die nächste Gracht gesprungen.

Du bist also im doppelten Wortsinn untergetaucht. Sind deshalb deine Haare nass?

HG, du hast einen Zeitbegriff wie Rudi Assauer im Spätstadium seiner Demenz. Und wieder liegst du völlig falsch: Nach meiner Rückkehr gestern auf einem Käse-LKW bin ich heute voll Tatendrang aufgestanden. Bei meiner Laufrunde an der Raab ist mir blöderweise mein Handy in den Fluss gefallen. Ich natürlich sofort hinterher. Obwohl ich länger unter Wasser war als ein tasmanischer Perlentaucher, blieb es verschollen.

Eine tolle Geschichte. Ich glaube aber viel eher, dass du nach dem Duschen föhnen wolltest und mit deinem Uraltgerät sämtliche Sicherungen deiner Wohnung geschossen hast.

Glaub, was du willst. So oder so, dieser Tag ist ein schlechtes Omen für unser entscheidendes Spiel gegen die Ukraine. Deshalb bin ich sogleich zu dir in die Redaktion gefahren, um geeignete Gegenstrategien zu besprechen. Und vor Italien – Wales könnten wir eine Kleinigkeit essen gehen.

Willst du damit sagen, du lädst mich ein?

Sicher – wenn du zahlst.

Zitat des Tages: „Antonio Rüdiger nimmt die CovID-Maßnahmen ernst – er spielt mit Maske.“ Kabarettist Martin Kosch entgeht kein Detail; der Gesichtsschutz des deutschen Verteidigungshünen dürfte trotzdem eher psychologische und/oder abschreckende Wirkung haben.

Song des Tages: In the Dutch Mountains KBs vermutlich von vorne bis hinten erfundener Reisebericht ließ mich an dieses One Hit Wonder aus dem Jahr 1987 denken. Bei Gelegenheit werde ich ihn fragen, ob er auch in den holländischen Bergen war …
https://www.youtube.com/watch?v=tPyiZI_WrXw

Feder

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EM-Blog V: Alternative Wahrheiten (17.6.2021)

Große Aufregung herrscht unter den rund 9 Millionen österreichischen Teamchefs nach Marko Arnautovics doch eher alternativem Torjubel gegen Nordmazedonien. Obwohl es während der verbalen Kalamitäten zwischen dem rotweißroten Starstürmer und seinen Gegnern bei Theaterdonner blieb, erwies sich der nordmazedonische Fußballverband nach dem Spiel als schlechter Verlierer und forderte „die härteste Strafe“ für den emotionalen Ausbruch ein. Der zuständige Senat der UEFA machte bei der kurzfristig einberufenen Sitzung auf Spaßbremse, erkannte eine Beleidigung des Österreichers mit serbischen Wurzeln und beendete mittels Sperre für ein Spiel sämtliche Pläne Franco Fodas, Marko Nationale heute gegen die starken Holländer von Beginn an aufzustellen.

Doch was kam dem 32jährigen, der schon in der Vergangenheit für kreativen Bonmots bekannt war („Ich kann dein Leben kaufen!“), tatsächlich über die Lippen? In der Kernölbotschafter-Redaktion hält man trotz so mancher im Kaffeehaus abgehaltenen Sitzungen nichts vom Kaffeesudlesen, sondern recherchiert knallhart. In diesem Fall bedeutete das, bei jenen Leuten nachzufragen, die es wissen müssen.

Herbert Kickl, Neo-FPÖ-Chef: „Das ist doch so klar, wie die Bilanz der türkisgrünen Regierung trüb ist. Marko Arnautovic, ein hervorragendes Beispiel für gelungene Integration, sagte: Siegestore statt Ehrenmorde! Nichts zu holen für die Balkanpolen! Haut’s eich noch de drei Niederlogn auf die Gastarbeiterroute und derstesst’s eich! Und das eine sage ich noch dazu: Sobald ich als der beste Innenminister aller Zeiten wieder fest im Sattel sitze, werde ich Marko nach Wien einladen und ihm das eiserne Sportlerkreuz erster Klasse für mutigen Verbalpatriotismus verleihen!“

Wolfgang Mückstein, Gesundheitsminister: „Mit der während seines Jubels gezeigten Null sendet Marko Arnautovic eine deutliche Botschaft an seine Landsleute. Bald wird die 7-Tages-Inzidenz in Österreich bei Null sein, und wir bekommen alle Freiheiten zurück. Auch grenzenloser Torjubel wird dann wieder möglich sein. Bisher durfte man einander ja nur mit zwei Meter Sicherheitsabstand abbusseln und unter Verwendung von Teleskop-Selfie-Sticks abklatschen. Später berichtete mir David Alaba von einem kuriosem Vorfall: Die gesamte Mannschaft absolvierte vor dem Spiel einen Antigen-Selbsttest. Bei Marko verschwand das Staberl in der Nase und tauchte nicht mehr auf. Deshalb habe ich in seinem Mund Nachschau gehalten, leider vergeblich. Jetzt hofft er, bis zur wichtigen Partie gegen die Ukraine, den Kopf wieder frei zu bekommen. Die ganze Bundesregierung drückt die dafür die Daumen, lieber Marko!“

Dr. Chantal Bohrmann-Wurzelkratzer, Inhaberin einer Promi-Zahnarztpraxis im 1. Wiener Gemeindebezirk: „Ich kann Ihnen versichern, dass alle Journalisten, Fußballfans und sonstigen Beobachter falsch liegen. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass sich Herr Arnautovic jeden kritischen Kommentar verkneifen wollte, dabei aber die Zähne so fest zusammenbiss, dass ein Teil seiner linken unteren Krone abbrach, die ich selbst vor einigen Monaten mit einem kleinen Diamanten verzieren durfte. Nichts anderes als Schmerzensschreie kam aus seinem Mund, worauf Herr Alaba sofort zu Hilfe eilte und rief: Wos is los, Marko? Loss mi schaun! Mehr war nicht. Herr Alioski kam nach dem Abebben des Schmerzes zu Herrn Arnautovic und bot selbstlos seine seine Hilfe an: Du brauchen Reparatur? Mein Bruder und Onkel haben Autowerkstatt in Skopje. Mit große Zange können reparieren Autos, Sprengfalle, Zähne, alles. Du einfach sagen, kommen von mir, sie machen dir beste Preis von ganze Welt! Worauf Herr Arnautovic Herrn Alioski dankbar umarmte und versprach: Alles klar, Bruder. Sobald mein neuer Maserati aus China überstellt ist, klopfe ich bei dir an. Warum Herr Arnautovic für dieses wunderbare Zeichen völkerverbindender Kommunikation bestraft wurde, erschließt sich mir in keinster Weise.“

Sie sehen, liebe Freundinnen und Freunde des EM-Blogs, der von Donald Trump geprägte Begriff der alternativen Wahrheiten ist längst in Europa angekommen. Die Kernölbotschafter-Redaktion wird aber weiterhin als investigatives Medium für seine Leserinnen und Leser alles daran setzen, dass die Wahrheit ans Licht kommt – auch wenn sie in Marko Arnautovics Mund versteckt ist.

Filmzitat des Tages: „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.“ Das wusste Fox Mulder, Hüter der X-Akten, schon lange vor Donald Trump und Florian Klenk.

Filmmusik des Tages: The X-Files Noch heute läuft es mir bei der Titelmusik dieser absolut kultigen Fernsehserie kalt den Rücken hinunter.
https://www.youtube.com/watch?v=x_OqkMCPZz0

Feder

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EM-Blog IV: Es geht nichts über Konnegschons (15.6.2021)

Mittagessen mit Freund Uwe in Pfeiler’s Bürgerstüberl, wo uns eine nette Terrasse, freundliches Service und formidable Menüs erwarten. Dies alles macht das Feldbacher Stadtgasthaus zu einer feinen Location (manchmal möchte ich hipp sein und verfalle sohin bisweilen ins Neudeutsche), die auch an Wochentagen gut besucht ist. Rechtzeitiges Reservieren bannt die Gefahr, bei endlich schönem Sommerwetter nach drinnen verbannt zu werden. Uwe und ich treffen beinahe zeitgleich ein; mit einem Seufzer der Zufriedenheit nehmen wir an dem für uns eingedeckten Tisch Platz.

Bald kommt unser Gespräch zum Thema Nummer 1. Erleichtert stellen wir beide fest, dass die Namen Schmid, Pilnacek, Blümel und Konsorten nicht mehr an der Spitze dieser Rangliste stehen. Nein, die Fußball-EM ist von  0 auf Platz 1 in die Charts eingestiegen und wird ihre Spitzenposition bis nach dem Finale nicht mehr abgeben. Jedenfalls solange kein Video auftaucht, in dem Sebastian Kurz versucht, den Tiergarten Schönbrunn und die Hofburg an den sizilianischen Mafiapaten Gianluigi Corleone V. zu verscherbeln, mit August Wöginger als wackeligem Übersetzer.

Nach der Bestellung von Brathenderl (ich) und Krautfleckerln (Uwe) freuen wir uns ein paar Halbsätze lang über den heimischen Auftaktsieg, um danach in einhellige Düsternis zu verfallen. Im gestrigen Blog  wollte ich dem Kernölbotschafter aus patriotischem Prinzip nicht recht geben; doch Uwe spricht eine Befürchtung aus, die sich nach dem bisher besten Spiel der EM auch in meiner rotweißroten Fußballseele eingenistet hat: „Hast du Holland gegen Ukraine gesehen? Ich frage mich nur, von wem wir das höhere Brett kriegen werden.“ Seine geflüsterten Worte klingen wie ein Fluch, wie der Bannstrahl des Todessterns, aus dem sich das kleine Raumschiff der hoffnungslos unterlegenen Rebellen rund um Luke Skywalker und Han Solo nie und nimmer befreien kann. Weil ich aber ein unverbesserlicher Optimist bin, entfleucht mir eine Antwort, ehe sie von der Zensur für platte Sprichworthülsen verhindert werden kann: „Naja, die Hoffnung stirbt zuletzt.“

„Von welcher Hoffnung redest du?“, fragt Uwe mit hochgezogener Braue, während er Krautfleckerl in sich hineinschaufelt.

„Bei der letzten EM haben wir gegen Portugal auch ein 0:0 geholt“, bemühe ich einen schwachbrüstigen Vergleich und bearbeite gleichzeitig meine Hendlbrust. „Und die waren am Ende immerhin Europameister.“

„Sicher – mit jeder Menge Massel und einem bärenstarken Robert Almer im Tor.“

„Erinnere ich mich recht, dass du damals im Stadion warst?“

Uwe nickt kauend.

„Schade, dass sie heuer wegen der Pandemie so wenige Karten auflegen“, sinniere ich, ehe eine Ladung Huhn mit Reis in meinem Mund landet. „Bestimmt war es schwierig, welche zu kriegen.“

„Ich bin trotzdem in Amsterdam dabei“, antwortet Uwe und grinst von einem Ohr zum anderen.

„Was? Echt?“ Beinahe verschlucke ich mich am Geflügel. „Es geht halt nichts über Konnegschons.“ Meine Worte sind eine plötzlich viel zu große Mischung aus Menü 1 und blankem Neid.

„Ein Bekannter ist im Club der Freunde der Nationalmannschaft“, meine Uwe, als wäre sein beeindruckendes Netzwerk das Normalste auf der ganzen Fußballwelt. „Der nimmt mich mit, weil ich ein so großer Hollandfan bin wie du Italienfan.“

„Dann ist es eine Win-win-Situation für dich, egal wer gewinnt.“ Jetzt gelingt es mir doch, mich für Uwe zu freuen; das wohlige Gefühl in meinem Magen tut sein Übriges. „Vielleicht siehst du ein paar schöne Tore. Die entscheidende Partie haben wir ohnehin gegen die Ukraine.“

„Da bin ich auch live vor Ort.“ Jetzt strahlt Uwe wie ein Honigkuchenpferd. Hätte sein Kopf nicht in diesem Fall schwerwiegende Verbindungsprobleme zum Hals, würde sein Grinsen einmal rundherum gehen.

„Auf Einladung eines ukrainischen Oligarchen, dessen Firma du in IT-Fragen berätst“, flüchte ich mich in Ironie, weil ich inzwischen nichts mehr für unmöglich halte.

„Viel einfacher.“ Uwes letzte Krautfleckerl gehen den Weg alles Irdischen. „Ein Freund hat sich um Karten beworben und tatsächlich zwei bekommen.“

Bei manchen Leuten, die kein Pech haben, kommt auch noch Glück dazu. Uwe ist eines von diesen beneidenswerten Glückskindern – ein Benefit (Neudeutsch, die Zweite) seiner durch und durch positiven Lebenseinstellung.

„Schickst du mir von irgendwo ein Foto?“, bitte ich ihn. „Am besten von der Anzeigetafel, wenn wir gegen die Elftal ein 0:0 ermauert haben.“

„Mache ich gerne.“ Uwe lehnt sich entspannt zurück. „Übrigens, Hannes, es heißt Connections.“

„SEPP! ZAHLEN!“

Reporterweisheit des Tages: „Jordi Alba, der einzige von zwei Europameistern 2012.“ Oliver Schmidt, Reporter des ZDF, beweist bei Spanien gegen Schweden eine ganz eigene Zahlenmagie.

Filmmusik des Tages: Der Pate Sollte unser Bundeskanzler beim Betreten der Hofburg diese Musik hören, ist Feuer am Parlamentsdach. Mit viel Glück kann er noch den Gustl Wöginger anrufen, für einen letzten Blärrer in Richtung Opposition … 
https://www.youtube.com/watch?v=PPskYVBqdNw

Feder

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EM-Blog III: Lasst alle Hoffnung fahren! (14.6.2021)

„Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“

Auch dir einen guten Morgen, mein lieber KB. Wir kommt’s, dass du schon in aller Herrgottsfrühe Dante Alighieri zitierst?

Weil du wieder einmal das Offensichtliche nicht siehst, HG: Die Katastrophe ist eingetreten und lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen. Wir sind alle verloren!

Wovon in aller Welt redest du?

Na, von der EM natürlich! Österreich wird niemals die Vorrunde überstehen! Das frustriert mich ungemein und löst sogar, wenn du es genau wissen willst, eine posttraumatische Länderspieldepression bei mir aus!

Aber wir haben gestern doch gewonnen! Oder war ich irgendwie im falschen Film?

Kinkerlitzchen, unbedeutend und leider vollkommen vergebens. Wenn unsere Truppe diese Bloßfüßigen nicht paniert hätte, wäre ein Asylantrag in Rumänien die einzige Überlebenschance für alle Beteiligten gewesen.

Du bist aber sehr streng. Drei Punkte sind drei Punkte, es war ein guter Start ins Turnier.

Deine rosarote Brille ist größer als Bodensee und Neusiedlersee zusammen! Warst du so froh, die tätowierten Beine von Fußballgott Marko wieder übers Feld wuseln zu sehen, dass du die schreckliche Wahrheit schlicht und einfach verdrängt hast?

Was habe ich denn verdrängt? Ich bitte dich, erleuchte mich!

Ich sage nur: Holland gegen Ukraine.

Ein gutes Spiel, keine Frage. Und wo ist jetzt die Katastrophe, bitteschön?

Die Katastrophe ist, dass uns beide ins Tal der Tränen stürzen werden. So schaut’s aus!

Aber geh, KB! Du siehst das viel zu negativ. Auch unsere Mannschaft kann auf diesem Niveau spielen, wenn sie ein Traumtagerl erwischt.

Deine Träume sind definitiv Schäume, lieber HG. Ich hatte die halbe Nacht Alpträume, in denen der Ulmer immer nur den Fußspuren vom Depay nachrennt, nie aber dem Spieler selbst. Der ist doch viel zu flink für unseren Oldie!

Dann kommt der Hinteregger, an dem die Oranje zerschellen werden wie an einem Telefonmast. Nach der genialen Umstellung mit Alaba in der Abwehr sind wir noch stärker, du wirst sehen.

Ich habe keine Ahnung, welche Götter du anrufst, aber du hast keine Ahnung vom Kicken. Hast du die beiden Tore der Ukraine gesehen? Da kann der Bachmann noch so hoch durch seinen Strafraum fliegen – den Ball wird er nie erwischen. Schon am Boden hat er ihn ausgelassen.

Das war ein Foul!

Glaubst du wirklich alles, was ein aus dem Leim gegangener Ex-Schiri im Fernsehen erzählt? Wer ist denn dein Finanzberater? Der mit beiden Beinen im Kriminal verweilende Ex-Chef der Commerzialbank Mattersburg?

Du malst einfach zu schwarz, KB. Die meisten Menschen wachsen mit ihren Aufgaben. Das gilt auch für unsere Spieler.

Die Leber wächst vielleicht mit ihren Aufgaben. Niemals jedoch die Passgenauigkeit von Xaver Schlager. Seine Zuspiele geraten meist so kurz wie sein keckes Haarschwanzerl.

Ich sehe, du findest heute jedes noch so dünne Haar in der Suppe. Aber trotzdem haben wir gewonnen. Und vergiss nicht: Vor dem nächsten Gegner zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Das werden zwei Begräbnisse erster Klasse, und du bist auch noch erste Reihe fußfrei dabei, wie ich dich kenne.

Du etwa nicht?

Ich suche schon krampfhaft nach einem dringenden Notfalleinsatz im Urwald von Borneo.

Was für ein Notfall soll das sein?

Einsame Bäume umarmen, was weiß ich.

Nichts da. Wir schauen wie immer gemeinsam. Mit wem könnte ich schöner diskutieren als mit einem Misanthropen aus Leidenschaft?

Über diese Beleidigung muss ich bei einem Kaffee nachdenken …

Schon unterwegs!

Fußballweisheit des Tages: „Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.“ Wird meist von ewigen Optimisten gebracht, wenn man sie mit den nicht vorhandenen Chancen gegen einen übermächtigen Gegner konfrontiert. Wenn es dann fünf Minuten vor Schluss 0:3 steht, schieben sie meist noch „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ hinterher und werden anschließend der Lokalität verwiesen.

Video des Tages: Österreich - Nordmazedonien Zum Immer-wieder-gerne-Sehen, die Highlights in zwei Minuten – mit durchaus begeistertem englischem Kommentar: „Lainer came out of nowhere!“
https://www.youtube.com/watch?v=TRpAEAbqnyw

Feder

 

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EM-Blog II: Das Privileg Gesundheit (13.6.2021)

Wann definieren wir unsere grundlegenden Werte neu? Zumeist doch nur, wenn uns ein unvorhergesehenes Ereignis diese Werte mit überdeutlicher Wahrheit bewusst macht und sie gleichzeitig infrage stellt – unabhängig davon, ob wir vorher schon einmal darüber nachgedacht haben oder nicht.

Dieses Ereignis trat gestern vor den Augen der ganzen Welt ein, in der 43. Spielminute der Begegnung zwischen Dänemark und Finnland. Der Däne Christian Eriksen kollabierte auf dem Spielfeld, war bewusstlos und musste reanimiert werden. Spieler, Betreuer und Fans reagierten betroffen; einige weinten, während der 29jährige Profi minutenlang von Notärzten behandelt wurde. Erste Entwarnung brachte ein Foto, das Eriksen beim Abtransport ins Krankenhaus mit offenen Augen und leicht angehobenem Kopf zeigte; den Angaben seines Trainers bei der Pressekonferenz zufolge, war sein Zustand stabil.

Auf Wunsch der Spieler beider Mannschaften und auch von Christian Eriksen selbst wurde das Spiel fortgesetzt und endete mit einem 1:0-Sieg der Finnen, der mich frappant an die Spiele Griechenlands bei deren EM-Titel 2004 erinnerte. Starke Verteidigung, das nötige Glück und ein einziger Konter, der zum entscheidenden Treffer abgeschlossen wird. Der KB und ich sind gespannt, ob die Nordländer bei ihrer EM-Premiere einen ähnlichen Lauf bekommen wie die Söhne Hellas unter ihrem famosen Trainer Otto Rehagel, dem nach dem Turniergewinn sofort der Ehrentitel Rehakles verliehen wurde.

Sämtliche Kommentatoren bewerteten das Ergebnis als Nebensache. „Wir haben ein Spiel verloren, aber ein Leben gewonnen“, stand in dänischen Medien zu lesen. Wann immer eine derart öffentliche Umkehrung von Werten erfolgt, stellt sich mir die Frage, warum Menschen immer einen Schock brauchen, um tiefgreifende Neubewertungen ihres Lebens vorzunehmen. Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001 ging ein Ruck der Solidarität durch ganz Europa, der bis in den persönlichen Umgang hineinwirkte. Und als uns die Corona-Pandemie zur Distanz zwang und zum Schutz gefährdeter Personen aufrief, entdeckten viele Leute ihre Hilfsbereitschaft, gingen für betagte Nachbarn einkaufen oder boten andere Dienste an.

Warum sind diese kleinen Zeichen der Menschlichkeit, diese Beweise des Einander-zugetan-Seins nicht in unser Denken, Reden und Tun eingeschrieben wie Atmen, Essen und Schlafen? Dass unser Leben als Gesellschaft, als Spezies nur gemeinsam gelingen kann, wissen wir längst. Warum die meisten erst im Angesicht des Todes oder einer noch größeren Katastrophe danach handeln, bleibt für mich eines der großen Mysterien unseres Daseins.

Besonders irritierend ist die Tatsache, dass viele Personen die eigene Gesundheit als selbstverständlich betrachten. Völlig falsch; in Wahrheit ist sie ein Privileg, das es zu bewahren und beschützen gilt. Mir ist klar, dass meine persönlichen Lebensumstände von Geburt an per se zu einer anderen Sichtweise führen mussten. Doch warum erkennen Leute den immensen Wert eigener Unversehrtheit nur, wenn sie Gefahr laufen, ihn zu verlieren? Hierzu ein wohlbekannter Satz „Nach einem Schlafanfall / Herzinfarkt / schweren Verkehrsunfall hat dieser Mensch sein Leben völlig umgestellt.“ Brauchen wir tatsächlich eine lebensgefährliche Situation, einen derart heftigen Wink mit dem Betonpfahl? Warum reichen die Chronikseiten dafür nicht aus? Warum sind uns die Lebensbeispiele von Freunden und Bekannten keine ausreichende Warnung? Ich habe keine Antwort darauf.

Finnland feierte den ersten Auswärtssieg gegen Dänemark seit – halten Sie sich fest – 1949. Dieses Ergebnis nennt man zurecht eine Sensation. Als solche wurde von manchen auch das menschliche und freundschaftliche Verhalten aller bezeichnet, die gestern in Kopenhagen Zeugen von Christian Eriksens Kampf ums Weiterleben wurden. Wieder falsch; Verbundenheit und Mitgefühl sollten in unserer Gesellschaft die Regel sein. Nicht die Ausnahme.

Lebensweisheit des Tages: „Quäle deinen Körper, sonst quält er dich!“ Christian Schiester, Extremläufer

Video des Tages: The Show Must Go On Davon sang auch Freddie Mercury, legendärer Frontman der britischen Rockband Queen, kurz vor seinem viel zu frühen Tod. Wenn wir unsere Freude am Spiel, an der Kunst, an unserer Art zu leben nicht mehr ausdrücken können, sei es aus Angst oder Zwang, dann haben wir verloren. Aber bis dorthin geht es immer weiter.
https://www.youtube.com/watch?v=t99KH0TR-J4

Feder

 

WM Pokal

EM-Blog I: Mein Mutterland des Fußballs (12.6.2021)

Irgendetwas ist heuer anders. Wenn ich an frühere Fußball-Großereignisse zurückdenke, fallen mir Wochen der Vorfreude ein, dazu die nötige Fernsehplanung sowie meine meist zum Scheitern verurteilten Versuche, die Mannschaftsaufstellung für das erste Spiel der Österreicher zu erraten. In diesem Jahr dominieren medial politische Unappetitlichkeiten. Weiters die Frage, ob diese unlustige Pandemie uns nur eine Verschnaufpause gönnt oder sich doch bequemt zu verschwinden.

Doch plötzlich war er da, der 11. Juni 2021. Und mit ihm der erste Spieltag der Fußball-Europameisterschaft 2020, die trotz ihrer Verschiebung noch immer so heißt. Wohl deshalb, damit schlecht spielende Mannschaften nachher behaupten können, dass sie vor einem Jahr definitiv  besser gewesen wären.

Obwohl sich viele Fans über den Auftakt freuen, bleiben Restzweifel. Ist es wirklich notwendig, bei noch immer bestehen Reisebeschränkungen ein Fußballturnier in elf europäischen Ländern zu veranstalten? Wie wird die Stimmung sein, wenn die Stadien höchstens zu einem Viertel gefüllt werden dürfen? Was passiert, falls es zu einem großen Krankheitsausbruch kommt?

Für die Überlegung, ein turniererprobtes Land mit mehreren auf kurzen Wegen erreichbaren Sportstätten mit der Austragung zu betrauen, hätte es gute Argumente gegeben. Die programmierten Veranstalter haben jedoch Vorbereitungen und damit Kosten auf sich genommen; in diesem Sinne halte ich es für richtig, den ursprünglichen Plan beizubehalten. Alle anderen Unsicherheiten wird man abwarten und danach entsprechend handeln müssen.

Doch genug jetzt. Ab sofort verblasen wir die Trübsal, beenden die sorgenbeladene Suderei und verbannen alle aus unserem Freundeskreis, die unter Kultiviertheit nur ihre eigenen Ängste verstehen. Jetzt geht's loo-oos! Und um nicht gleich wieder bei diesen Ängsten zu landen, schreibe ich im ersten Blog nicht über Österreich, sondern über eine Mannschaft der mein Herz fast so sehr gehört wie Rotweißrot: la Squadra Azzurra!

Der italienische Fußball ist in den letzten Jahren ein bisschen aus dem Fokus geraten. Zu viel Geld wird in die englische Premier League gesteckt, zu viele Österreicher spielen in Deutschland, und zu selten erreicten Klubs unseres südlichen Nachbarlandes ein Endspiel oder wenigstens ein Halbfinale. Doch nach dem gestrigen Sieg über die Türkei, der eindrucksvoller nicht hätte sein können, wage ich eine Prognose: Das Semifinale ist vielleicht noch nicht das Ende der grünweißroten Fahnenstange.

In dieser Mannschaft stimmte gestern alles: Die Abwehr mit Chiellini und Bonucci rackerte knochenhart wie in den besten Zeiten eines Cannavaro oder Nesta im Weltmeisterjahr 2006. Dem Mittelfeld mögen große Namen fehlen, doch Domenico Berardi lenkte das Spiel mit ebenso feiner Klinge wie einst Andrea Pirlo. Und die beiden Stürmer Lorenzo Insigne und Ciro Immobile wirbelten wie ihre großen Vorgänger Paolo Rossi, Pippo Inzaghi und Roberto Baggio. Mein italophiles Fußballherz jubelte in ähnlich hohen Tönen wie der selige Luciano Pavarotti bei seiner Leib-und-Magen Arie "Nessun dorma". Nein, geschlafen haben die Azzurblauen gestern wahrlich nicht!

Natürlich werden die Mannen aus dem bel Paese auf stärkere Gegner als Erdogans Truppe treffen. Aber die Inbrunst, mit welcher alle Spieler bei der ungeliebten Hymne Fratelli d'Italia mitgesungen haben, sollte anderen Mannschaften wohl eine Warnung sein: Seht unsere Leidenschaft, wie wir um den Sieg kämpfen werden! Mein Mutterland des Fußballs (egal wie oft die Engländer etwas anderes behaupten) ist dort angekommen, wo es hingehört: in der Favoritenrolle. Schon der bekannte Fußballphilosoph Julius Cäsar sagte: "Veni, vidi, vici!" Und der war bekanntlich Italiener.

Fußballweisheit des Tages: Nach dem Spiel ist vor der Satire. (Der Kernölbotschafter)

Video des Tages: Nessun dorma (Der italienische Tenor Andrea Bocelli hat die berühmteste Arie aus Puccinis Turandot bei der Eröffnungsfeier eindrucksvoll dargeboten. Ich habe mich jedoch für den letzten öffentlichen Auftritt von Luciano Pavarotti entschieden. Dieser fand 2006 statt,  ebenfalls in Italien und ebenfalls bei einem großen Sportereignis.)
https://www.youtube.com/watch?v=rxxHvW0oNpU

 Feder

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