Satiren des Tages - März 2018

 

30. März 2018: Lachend lange leben

Bregenz beheimatet nicht nur eine der besten Physiotherapeutinnen, eine Reihe feiner Hotels und ein Seeufer, an dem es sich wunderbar träumend sitzen oder auch trainierend schwitzen lässt. In der Hauptstadt Vorarlbergs und im Ländle rundum erscheinen außerdem die Vorarlberger Nachrichten, die mir bei meinem letzten Aufenthalt vor ein paar Wochen eine sprichwörtlich lebenslange Erkenntnis schenkten.

Die VN sind eine durchaus den Erwartungen entsprechende Bundesländerzeitung mit einem großen Herz für die Heimat, ob es um die Schülerlandesliga-Ergebnisse der Turnerinnen geht oder um Bürgerproteste gegen eine Baubewilligung, wie wir sie auch aus allen anderen Ecken Österreichs kennen. Auf einigen Seiten unterscheiden sie sich jedoch grundlegend von vergleichbaren Blättern, etwa von der steirischen Kleinen Zeitung: Hier werden (aus Gründen, die wir innerhalb der Kernölbotschafter-Redaktion bisher nicht erforschen konnten) jeden Tag viel mehr Traueranzeigen abgedruckt als sonst wo.

Jetzt ist das per se noch keine Erkenntnis. Als ich jedoch zuletzt in Ermangelung anderen Lesestoffs genau diese Anzeigen genauer studierte, fiel mir bei jenen, die mit einem Bild des/der Verblichenen behübscht waren, eine erstaunliche Verbindung zwischen Gesichtsausdruck und Lebensdauer auf. Ob Sie dieser bahnbrechenden Theorie des Kernölbotschafters Glauben schenken oder nicht: Wer mit freundlichem Lächeln oder einer anderen Art Heiterkeit das schwarz umrandete Kastl veredelte, war zuvor meist deutlich länger auf der Erde gewandelt als jene bereits über den Styx Gegangenen, die selbst auf dem bestmöglichen Bild dreinschauen, als wäre der griechische Höllenhund Kerberos noch immer hinter ihnen her.

Die Moral liegt auf der Hand: Humorvoll lebt es sich nicht nur besser, sondern auch länger. Und irgendwie würde es mich selbst nach Abholung durch den Sensenmann wurmen, wenn mein letztes öffentliches Antlitz eines mit bis zu den altersbedingten Hautfalten am Hals hängenden Mundwinkeln wäre. Bei meiner Beerdigung soll jemand Don’t worry, be happy singen – meinetwegen auch Bobby McFerrin vom Band. Das passt dann auch hervorragend zum Foto in der Zeitung, das ich vorab persönlich aussuchen werde, unter der Androhung, alle Erbinnen und Erben posthum aus meinem Testament zu schmeißen, sollten sie es wagen, ein anderes drucken zu lassen.

Bis dahin wird aber noch eine lange, heitere Zeit vergehen. Eine schöne Erkenntnis für den Karfreitag, wie ich finde. Frohe Ostern!

Feder

 

27. März 2018: Eine Viertelstunde mit Ö3

Weil ich auf der gestrigen Fahrt zur Physiotherapie nach Gnas mein Hörbuch nicht dabei hatte, verfiel mein manchmal unberechenbarer Optimismus der Hoffnung anheim, jener sich selbst gerne als Hitradio bezeichnende Sender könnte zur Abwechslung und nur für mich etwas Hörbares aus den 80ern spielen. Falls mein Glück beinahe grenzenlos wäre, ginge sich auch noch ein Verzicht auf platte Witzchen der Marke Kommt ein Ritter in die Apotheke aus. Bitte – danke.

Doch erstens kam es anders, zweitens schlimmer als ich befürchtet hatte. Erst quälte ein unsägliches DJ-Mix aus der Dose meine Ohren, das noch nie ein mit zwei Händen zu spielendes Musikinstrument auch nur aus der Ferne gesehen hatte. Und danach ließ Philipp Hansa nicht etwa einen humorbefreiten Gag vom Stapel. Nein, er packte gleich den großen Hammer aus: eine Umfrage zum Thema Beziehungen.

Ich griff das Lenkrad fester, wappnete mich so für die erste der beiden Haarnadelkurven ins Gnaser Tal und zugleich für den Blödsinn, der unvermeidbar aus der akustischen Beschallungsmaschine kommen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht: Die Meinungsforscher verlauten Bahnbrechendes!

Bub und Mädchen schätzen beinahe das Gleiche am jeweils anderen Geschlecht. Lesen und staunen Sie: Beide sollen humorvoll, gebildet und reisefreudig sein. Aber geh! Er findet Sie perfekt, wenn Sie auch noch ein bisserl Sportlichkeit mitbringt. Sie mag Ihn am liebsten, wenn Er mit Ihr auch noch ins Theater und Museum geht.

Irgendwie gelang es mir, den Lachanfall bis nach der zweiten Haarnadel zu unterdrücken. Dabei half mir die Erinnerung an die politische Zeit eines Jörg Haider, als niemand öffentlich zugeben wollte, FPÖ zu wählen, die Blauen aber trotzdem bei 27 % landeten. Hier ist es ähnlich. Auf die Frage, was man in Beziehungen gut findet, verlassen nicht eigene Gedanken und Überzeugungen den Mund, sondern halt irgendetwas Nettes, das sich gut anhört.

Woher ich das weiß? Aus gut zwanzig Jahren intensiver Feldforschung. Ich bin quasi mein eigenes Forschungsobjekt und fasse hier und jetzt für meine Leserschaft das Ergebnis dieses rigorosen Selbstversuches zusammen. Meine Bildung liegt über dem Durchschnitt, ich bin gerne unterwegs und versorge die Nation als Kernölbotschafter seit mehr als zwei Jahrzehnten mit gediegenem Humor. Zahl der Anträge, die ich in dieser Zeit bekommen habe? 0.

Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Wenn derartige Umfragen auch nur einen Gramm Wahrheit enthalten sollen, müssen sie künftig geheim und unter Eid erstellt werden. Oder man verzichtet ganz darauf und gibt sich stattdessen mit den Witzen auf Ö3-Niveau zufrieden. Kommt ein Ritter in die Apotheke und fragt: Hast du ein Mittel, Alter?

Über die Umfrage habe ich mehr gelacht.

Feder

 

26. März 2018: Nur a bisserl Hirn

Letzten Freitag Abend an der Bar des von mir frequentierten Grazer Pokerklubs, kurz vor dem Turnier. Beim Warten auf mein Standardgetränk (warum es ausgerechnet hier Ananassaft gibt, im Gegensatz zu den meisten besser sortierten Lokalen, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben) werde ich Ohrenzeuge eines bemerkenswerten Kurzmonologes.

„Bei mir is jo olles dahin. Kreuz, Leber, Lunge, Knia, olles in irgendana Oart defekt. Nur a bisserl Hirn is ma no bliebn, des reicht grod fias Pokern.“

Der Mann, nach vorsichtiger Schätzung zwischen fünfzig und sechzig, nimmt einen kräftigen Schluck von seinem Krügerl Puntigamer und zieht dann tief an seiner Marlboro. Und wieder wird von dem, was seine Lunge und Leber noch leisten können, a bisserl weniger.

Auf dem Weg zum mir zugelosten Spieltisch beschäftigt mich ein existenzielles Rätsel der Menschheit. Warum reicht a bisserl Hirn für ein komplexes Spiel wie Poker, aber nicht dafür, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern?

Könnte ich dem lieben Gott diese Frage stellen, würde er wahrscheinlich antworten: „Gehirn und Körper sind Geschenke von mir. Beides ordentlich benützen – das müsst ihr schon selbst, Leute!“ Eine atheistische (man könnte auch formulieren, österreichische) Theorie vom Kernölbotschafter: Hätte die Bundesregierung das schon beschlossene Rauchverbot in Lokalen nicht gekippt, wäre der blauen Stammwählerschaft wohl noch immer zu viel Hirn geblieben. Keine Zigaretten mehr in den Tschecherln hätten nämlich zwangsläufig weniger Krügerl und Stamperl zur Folge gehabt.

Das Risiko von zu viel Erkenntnis unter seinen Anhängern bezüglich der grandiosen Unsinnigkeiten, die seine Leute in gerade einmal 100 Tagen Regierungsbeteiligung von sich gegeben und angerichtet haben – die Rede von Gesundheitsministerin Hartinger-Klein zum neuen Raucherschutzgesetz im Parlament gehört schon jetzt zu den Klassikern im Fach Unfreiwillige Komödie –, kann HC Strache verständlicherweise nicht eingehen. Dafür verzichtet er lieber auf einen Lungenflügel und einen Teil seiner Leber.

Feder

 

6. März 2018: Beste aussichten

Jetzt hauen alle auf die arme Eva Glawischnig hin. Dabei hat sie nur konsequent nach einer Möglichkeit gesucht, a) ihre finanzielle Zukunft abzusichern und b) gleichzeitig allen, die in der Vergangenheit garstig zu ihr waren, den sprichwörtlichen Finger zu zeigen. Dabei hat die ehemalige Chefin der Grünen zumindest einen ihrer Werte beibehalten, wie sie nach der schon jetzt als legendär geltenden Antrittspressekonferenz bei Novomatic einer Freundin anvertraute: „Ich war und bin immer für die Energiegewinnung aus Wasserkraft eingetreten – also nach mir die Sintflut!“

Hinter vorgehaltener Hand wird Glawischnig für Ihren mutigen Schritt von den anderen Parteigranden bewundert. Viele planen schon jetzt für ihre Zeit nach der Politik. Aus gut informierten Kreisen erfuhr die Kernölbotschafter-Redaktion von ersten, durchaus spannenden Vorhaben. Alle nachstehend genannten Herren haben beste Aussichten.

Sebastian Kurz: Der Kanzler wird auch nach seiner Zeit als Regierungschef in der Politik bleiben, aber nur noch beratend tätig sein. Sämtliche Parteien sind an seinen Diensten als Ausreden-Schreiber interessiert, wenn es darum geht, unklare, unlogische und beim Volk unerwünschte Gesetze zu begründen.

Christian Kern: Dressman bei Dressmann. In der Faschingszeit verkleidet sich der Ex-Kanzler zusätzlich als beleidigte Leberwurst und verbreitet überall dort, wo die Leute zu gut drauf sind, schlechte Stimmung.

HC Strache: Der aktuelle Vizekanzler wir seine eigene Brillenkollektion auf den Markt bringen. Seine Verkaufsnische wird von älteren Männern besetzt sein, die in Kombination mit tief im Mundwinkel hängender Zigarette besonders cool wirken wollen. Straches Top-Modell „warm&klar“ wird zudem mit beheizbaren Nasenflügelstützen ausgestattet sein, um die Gefahr von Lungenentzündungen zu minimieren, wenn das Rauchverbot in der Gastronomie doch irgendwann von ignoranten und die heimische Gastfreundschaft mit Füßen tretenden Bürokraten eingeführt wird. In seiner Freizeit gibt Strache Kindern ohne Migrationshintergrund Nachhilfe in Geografie, Schwerpunkt Südosteuropa.

Matthias Strolz: Der Neos-Chef ist noch unentschlossen. Es wird aber auf alle Fälle eine Tätigkeit sein, für die man so richtig Cojones braucht.

Peter Pilz: Der Namensgeber der Liste Pilz ist bereits auf der Suche. Angebote gibt es zuhauf, doch eine Einigung ist bisher stets an einer Vorbedingung von Pilz gescheitert. Er möchte sich eine Mindestanzahl von Assistentinnen und Hostessen vertraglich zusichern lassen.

Feder

 

3. März 2018: Das Wochenende ist gelaufen

Nachdem mich heftige Rückenschmerzen aus einem unruhigen Schlaf auf dem schlechtesten Hotelbett seit Erfindung der Matratze geweckt haben, bin ich überzeugt, der Tag kann nur noch besser werden. Doch weit gefehlt.

Weil die Hocker in der Hotelbar allem Anschein nach ein enges Verwandtschaftsverhältnis mit dem Bett haben, beschließe ich, das Frühstück auf der Heimfahrt einzunehmen. Kaum habe ich den Zündschlüssel gedreht und meine Hände auf das eiskalte Lenkrad gelegt, sudert mich Max Giesinger aus dem Radio an, der „sie“ (vermutlich seine Ex) noch immer nicht vom Tanzen abhalten kann. Meine Hände frieren augenblicklich fest, als der Moderator nach dem Song auch noch verkündet: „Wir holen Max Giesinger für dich nach Österreich! Komm zum Winterabschluss-Open Air …“ Der Ort geht in meinem zum Glück erfolgreichen Versuch unter, der roten Nissan Micra Mouse auf der Querstraße vor dem Hotel nicht die Vorfahrt zu nehmen – irgendein Tiroler Dorf mit Ober- am Anfang und -schgl am Schluss. Mein Tritt aufs Gaspedal fällt ein bisserl heftig aus, als müsste ich mich unverzüglich so weit wie möglich von dort entfernen.

Im Lokal meines Vertrauens trifft mich in Form der Schlagzeile des Standard der nächste Stein am Schädel. Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig beteuert, ihr Wechsel von der linken Gutmenschenpartei zum bösen Glücksspielkonzern Novomatic sei „nicht des Gehalts wegen“ erfolgt. Also ging es doch darum, den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen so richtig eine reinzuwürgen, passenderweise zwei Tage vor einer Landtagswahl. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass heiße Luft nicht nur um saubere Windräder strömt, sondern auch aus dem Mund  jener Frau, deren Überzeugungen biegsamer sind als ein in sich verknoteter Yogi.

Dass auch die famosen und heftig ersehnten Schoko-Croissants ausgerechnet am Samstag nicht feilgeboten werden, entlockt mir nur noch einen bitteren Seufzer. Mehr Beweise brauche ich nicht – das Wochenende ist gelaufen. Ich schlürfe einen Kaffee, schlurfe in die Kälte hinaus und fahre nach Hause.

Hoffentlich ist mein eigenes Bett noch da.

Feder