Satiren des Tages - Februar 2018

 

28. Februar 2018: Rüge vom Seifenspender

Gestern brachte das abendliche Journal Panorama einen Beitrag über das Internet der Dinge, das schon bald in unser aller Alltäglichkeit Einzug halten soll. Kühlschränke kaufen ein, wenn die Milch sauer wird, Staubsauger werfen ärgerlich laut ihre Bürsten an, wenn der Göttergatte wieder einmal vergessen hat, seine Schuhe vor dem Haus abzuputzen, und so weiter.

Eine Besonderheit auf diesem Gebiet hat das neu errichtete Allianz-Stadion zu bieten, Heimstätte der grünweißen Ersatzreligion namens Rapid Wien. Dort funken die Seifenspender in den Toiletten ein Signal an den Facility Manager (auf gut österreichisch: Hausmeister), wenn sie nachgefüllt werden wollen. Der macht sich dann ganz analog auf zwei Beinen auf den Weg und waltet seines Amtes.

Und auch die nächste Generation dieser schlauen Geräte ist schon in Planung. Dabei wird die aktive Mitarbeit der Fans ganz entscheidende Bedeutung zukommen. Betritt ein grünweißer Schal samt Träger ein Klo, messen Sensoren automatisch Herzschlag und Schweißabsonderung. Bleibt beides unter einen gewissen Niveau, gibt’s weder Wasser noch Seife – wer den Verein seines Herzens nicht gescheit anfeuert, braucht sich auch nicht waschen. Gleiches gilt für die Abgabe von Käsekrainern und Ottakringer.

Die anderen österreichischen Fußballklubs beobachten diese Entwicklung höchst interessiert und planen, sie für ihre Zwecke zu nutzen. Bei Sturm Graz wird an einem Superkürbiskernöl geforscht, das bei mangelnder Spielintelligenz (verhaute Doppelpässe, laxes Zweikampfverhalten etc.) den Spielern durch Direktinjektion aus den Stoppeln einen Energieschub verleiht.

Bei der Wiener Austria setzt man auf Schwarmintelligenz. Dort erhalten nur Fans Zugang zum WC, die vorher in eine Spendenbox einen Zettel mit mindestens zwei Namen für den nächsten Trainerwechsel einwerfen. Für die Nennung von Spielern, die auf dem Transfermarkt verfügbar und auch leistbar sind, spuckt der Spender automatisch ein zweites Papierhandtuch mit zartem Veilchenduft aus und spielt die Austria-Hymne.

Die radikalsten Änderungen sind bei Red Bull Salzburg zu erwarten. Da dank Dosen-Doping das Geld längst abgeschafft ist, plant Gründer und Eigentümer Dietrich Mateschitz, Fußballschuhe mit künstlicher Intelligenz entwickeln und diese dann auch spielen zu lassen. Spieler werden dann nicht mehr nötig sein. Für die Cristiano-Ronaldo-Pose vor einem Freistoß müssen die Zuschauer halt ein bisschen Fantasie entwickeln.

Mit diesem Masterplan hofft er, Salzburg irgendwann doch in die Champions League zu führen. Eine saubere Lösung, sogar ohne intelligenten Seifenspender.

Feder

 

27. Februar 2018: Gescheiter werden, bitte!

An manchen Tagen sollte man besser gar nicht aufstehen. Draußen hat es gefühlte 50 Grad unter Null, der Wind pfeift ums Haus. Folgerichtig bestehen die ersten Gedanken aus stichhaltigen Argumenten dafür, nicht einmal die linke kleine Zehe aus dem sicheren, warmen Platz unter der Decke zu verstoßen.

Dann springt automatisch das Radio an – ein Fehler, denn Ministerin Elisabeth Köstinger ist zum Interview ins Morgenjournal auf Ö1 geladen. Mangels Alternativen (für ein anderes Programm müsste ich aufstehen, wozu ich definitiv noch nicht bereit bin) höre ich halt zu und staune mit jedem Satz der Ministerin mehr darüber, wie perfekt sie eine Disziplin beherrscht, die leider nicht olympisch ist: Im Sich-Winden, um eine klare Antwort Herumreden hat Köstinger es zur wahren Meisterin gebracht. Das war schon durch die leidige Diskussion vor einigen Monaten bekannt, als sie nicht explizit sagen wollte, ob sie nun Ministerin oder doch Nationalratspräsidentin werden möchte. Aber diese Frage hatte die Wertigkeit eines akademischen Streits um der Kaiserin Bart.

Beim Rauchverbot in der Gastronomie verhält es sich völlig anders. Sämtliche Ärzte fordern, den bereits gefassten Beschluss umzusetzen, rund 400.000 Bürgerinnen und Bürger haben dafür unterschrieben. Und was sagt die gute Frau? Sie fühle sich an einen Koalitionspakt gebunden, der jeder Logik und jedem gesunden Menschenverstand widerspricht. Zur Erinnerung: Das war eine Gefälligkeitszusage des jungen Kanzlers an HC Strache, die nicht nur den Volkswillen, sondern auch das Amt Köstingers (immerhin firmiert sie als Nachhaltigkeitsministerin!) ad absurdum führt. Oder will sie den Beweis antreten, dass auch politische Dummheit nachhaltig sein kann?

Wer ohne Not eine Kleinigkeit zur Staatsaffäre aufbläst, die sich bei ein bisschen Willen mir nichts, dir nichts erledigen lässt (Fehler eingestehen, Antrag zurücknehmen, fertig), trägt den eigenen Anspruch Neu Regieren auf den Lippen, aber nicht im Herzen. Und schon gar nicht im Kopf, wo es am Wichtigsten wäre. Dem konsternierten Bürgerlein bleibt die Erkenntnis, dass er auch mit dieser Regierung offensichtlich eine Niete gezogen hat.

Ich seufze und will mir die Decke mindestens bis zum Ende dieser Legislaturperiode über den Kopf ziehen. Mit einem noch tieferen Seufzer stehe ich dann doch auf, um nicht auch noch Köstingers Ausführungen zur Umsatzsteueränderung in der Hotellerie ertragen zu müssen.

Jedoch gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Innenminister Herbert Kickl ließ mit einer Aussage aufhorchen, die ihm nur wenige zugetraut hatten: „Ich glaube, dass es nix Verbotenes ist, gescheiter zu werden.“

Also, jetzt alle zusammen, mit Inbrunst und im Chor: „DANN MACHT DOCH, BITTE!“

Feder

 

23. Februar 2018: Gottes bitteres Lachen

Wenn man über Dinge nicht weinen kann, soll man über sie lachen, heißt es im Volksmund. Irgendwann jedoch kommt der Moment, wo dieses Lachen im Hals stecken bleibt. Alle Wege, etwas mit dem Herzen zu erspüren, sind versperrt, und nicht einmal die Tränen bringen Erlösung. Sie schmecken nur noch bitter.

Es ist schwierig genug, die menschlichen Grausamkeiten zu ertragen, die jeden Tag auf der Welt geschehen. Tiefer noch trifft mich die augenscheinliche Unfähigkeit zur Läuterung, wie sie nach dem Amoklauf eines 19jährigen an einer Schule in Florida im Regionalparlament offenbar wurde.

Da beginnen Abgeordnete die Sitzung mit einem Gebet für die 17 Opfer, um danach mit 71 zu 36 Stimmen eine Verschärfung des Waffenrechts abzulehnen! Diese Ambivalenz (Falschheit ist der korrektere Ausdruck) ist mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen.

Wer Gottes Wort im Mund führt, jedoch dagegen handelt, für den hat der Herr wohl nur bitteres Lachen übrig.

Feder

 

22. Februar 2018: Aus der Grauzone, Teil 2

Vor etwa einem Monat wurde an dieser Stelle über eine Kolumne von Gerti Senger in der Sonntags-Krone berichtet, die der Chronist nicht so recht einzuordnen wusste. Es ging um Grauzonensex; das klang recht mystisch und geheimnisvoll, etwa wie 50 Shades of Grey auf österreichisch, blieb aber, was die wirkliche Bedeutung anging, im dichten Nebel der Unklarheiten verborgen. Vielleicht von der Redaktion gewollt? Falls nicht, war es mir als Textunterlage fürs Sonntagsfrühstück eindeutig zu hoch.

Gestern Abend hatte ich endlich die Gelegenheit, den aktuellen James-Bond-Film Spectre anzuschauen. Ich mag Daniel Craig, und Christoph Waltz als Böser wie auch die österreichischen Drehorte verhießen einiges. Fazit nach einer halben Stunde: na ja … Die Action war gediegen, aber Figuren und auch Handlung blieben irgendwie ungreifbar.

Später sitzt James mit einer ätherischen Blondine, der ständig die Angst in den Rehäuglein steht, beim eleganten Abendessen im Speisewagon einer Art Orient Express für Arme, er im weißen Smoking, sie im Traum aus Silber. Die zwei wollen gerade ihre Vodka-Martini-Gläser klingen lassen, als der ihnen von der obergeheimsten Geheimorganisation nachgeschickte Mann fürs Grobe so mir nichts dir nichts hereinplatzt, die traute Zweisamkeit unterbricht und mit Bond eine Keilerei anfängt, die sich gewaschen hat. Sie zerlegen das fahrende Restaurant zu Kleinholz, watschen sich durch Küche (seltsamerweise frei von Personal) und Lagerraum, bis es 007 und der Ätherischen endlich gelingt, den finsteren Gesellen mittels an einem Bierfass befestigten Stricks um den Hals aus dem Zug zu befördern. Schnitt.

In der nächsten Szene beobachtet das erstaunte Auge eine Keilerei der anderen Art. James und die Blondine schaffen es nicht einmal mehr bis in ihr Abteil. Sie rütteln heftiger aneinander als die Schienen an den Rädern des Zuges. Jeder normale Mensch würde nach den eingesteckten Hieben einen Monat im Streckverband liegen und danach mindestens ein halbes Jahr auf Kur gehen. Nicht so Bond, aber der werkt ja auch deshalb im Geheimdienst Ihrer Majestät. Kaum ist eine Sache erledigt, fokusiert er sich sogleich auf die nächste.

Plötzlich öffnet sich in mir eine Erkenntnis, schneller als ein Spezialfallschirm von Q: Genau das ist Grauzonensex! Entweder man liegt für alle Zeiten darnieder, oder das Adrenalin und die Hormone reißen einen derart heftig in die Höhe, dass man gleich von selbst wieder aufrecht steht, bestes Stück inklusive. Keine Frage, wofür sich Bond entscheidet; sein Pluspunkt ist allerdings, dass er immer irgendwas (oder besser: irgendwen) zur Hand hat, was die Entscheidung enorm erleichtert.

Wenn ich mich also das nächste Mal wie erschlagen fühle, versuche ich diese Methode zur Rettung aus der Grauzone. Sie könnte zwar in Ermangelung des erwähnten Pluspunkts scheitern, aber darum kümmere ich mich nach der Keilerei.

Nachbemerkung: Heute berichtet die Kronenzeitung auf Seite 17, den Österreichern sei ihr Smartphone bereits wichtiger als Sex. Jetzt ist klar, warum James Bond nie ein Handy dabei hat.

Feder

 

21. Februar 2018: Stürmische Zeiten

Leicht hat es Donald Trump, seines Zeichens seit 13 Monaten amtseingeführter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, derzeit nicht wirklich. Entweder wird über ihn geschimpft (Steuerreform, Waffengesetze) oder gelacht (Frisur, Selbstverständnis). Und wäre das nicht genug, wird auch noch gegen ihn ermittelt: Irgendein garstiger Sonderermittler behauptet, er hätte den Wahlkampf um das mächtigste Amt der Welt mit unlauteren Mitteln (manche sagen auch: mit russischer Hilfe) zu seinen Gunsten beeinflusst oder zumindest davon gewusst. Kein Wunder, dass sich Donald bei so viel Bösartigkeit gegen ihn schon am frühen Abend in sein Schlafzimmer verzieht, ein paar Cheeseburger futtert und Serien auf seinem Riesen-Flatscreen schaut.

Gerade als Trump glaubte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wurde seine persönliche Wetterlage erst so richtig stürmisch. Eine Schauspielerin aus der Sparte Erwachsenenunterhaltung mit dem Künstlernamen Stormy Daniels, der den Ansprüchen dieser Bezeichnung durchaus gerecht wird (für die Wahrheitsfindung ist dem Kernölbotschafter keine Recherche zu … äh … mühsam), hatte kurzerhand beschlossen, den Begriff Schweigegeld nicht allzu wörtlich zu nehmen. Also plauderte sie aus dem Nähkästchen über eine kleine Affäre vor zehn Jahren mit dem damaligen Immobilienhai und heutigen Präsidenten. An die Auflage, für satte 130.000,-- Dollar nicht zu plaudern, fühle die Stürmische sich nicht mehr gebunden, weil es eh schon jeder wisse. Es dauerte auch nicht lange, bis ein weiteres Techtelmechtel aus jener Zeit publik wurde, diesmal mit einem Playboy-Model, als Trump zufällig in der Villa von Hugh Hefner vorbeigeschaut hatte und offenbar dem reichhaltigen Häschen-Angebot nicht widerstehen konnte.

Auch wenn Trumps Anwalt mit besten Absichten gehandelt hatte – auch er scheiterte mit dem Versuch, die Ereignisse unter den Teppich zu kehren. Das funktioniert nämlich nur, so lange der Teppich interessanter ist als seine Unterlage. Es ist anzunehmen, dass Stormy durch ihr offenherziges Geständnis ihren Marktwert steigern wird, wohl über die kassierte Summe hinaus.

Geschwiegen hätte auch besser Frau Dagmar Belakovitsch von der FPÖ. Da trommeln die Blauen seit Jahrzehnten für mehr direkte Demokratie, doch wenn ein Volksbegehren gegen ihre eigenen Ideen geht, ist es plötzlich  „politisch motiviert“ und daher abzulehnen, wie die Dame trotzig behauptet hat. Eine Gesundheitssprecherin, die gegen mehr Raucherschutz wettert – das allein verursacht einen Logikknoten im Gehirn. Alles nur, weil Parteichef Strache trotz seiner neuerdings zur Schau gestellten Staatsmännlichkeit nicht auf die Zigarette zum Espresso im Stammbeisl verzichten will. Und weil Kanzler Kurz geglaubt hat, ihm diesem kleinen Gefallen erweisen zu müssen. Aber wer Wind sät (siehe oben), wird Sturm ernten. Im Falle von Don’t Smoke hat der Sturm sogar kurzzeitig die Server im Innenministerium lahmgelegt, was die Schlangen auf den Gemeindeämtern verlängert und den Volkszorn noch weiter angefacht hat.

Stürmisch geht es auch über den Wolken zu. In einem holländischen Flugzeug hat ein Mann so heftig und anhaltend gepubst (eine geradezu nestroysche Wortwahl auf orf.at), dass er mit anderen Passagieren in Streit geriet und die Maschine deshalb in Wien zwischenlanden musste. Auch eine Möglichkeit, von luftiger Höhe auf dem harten Boden der Tatsachen zu landen.

Dies könnte auch den beiden anderen Protagonisten dieser kleinen Episode drohen – durchaus im Sinne der kritisch-aufmerksamen Allgemeinheit.

Feder

 

13. Februar 2018: Mein Goldberger-Effekt

Während ich bei der Kosmetikerin meines Vertrauens auf die Behandlung warte, knallt mir eine Titelschlagzeile auf dem Cover des Society-Magazins Steirerin entgegen: 50 ist das neue 30! Attraktiv, selbstbewusst, topfit: So cool geht 50+

Nicht mehr lange, und ich bin genau in der Zielgruppe, ist mein erster, nicht unbedingt schmeichelhafter Gedanke. Bei den Attributen kehrt jedoch rasch meine Zufriedenheit zurück, gewürzt mit einem Haucherl Stolz. Zwei von drei treffen absolut zu; ich überlasse die Wahl an dieser Stelle selbstverständlich meiner Leserschaft, im vollsten Vertrauen, sie werde je ein Kreuzerl beim richtigen Wort setzen.

Meine Überzeugung rührt auch von einem Kompliment her, das mir Freundin Christine vor kurzem bei einem Treffen angedeihen ließ. „Bei dir schlägt voll der Goldberger-Effekt durch“, meinte sie mit hörbarer Anerkennung in der Stimme.

„Und das ist?“, fragte ich ein wenig ratlos, weil mir ad hoc nichts einfiel, was ich mit dem ehemaligen Schispringer und Lieblingsschwiegersohn Österreichs gemein haben konnte.

„Na, jedes Mal, wenn ich dich sehe, schaust du jünger aus!“, rief Christine lachend. „Keiner kommt bei dir auf die Idee, du wärst Mitte 40.“

„Danke ergebenst“, erwiderte ich verschämt und spürte meine Ohren heiß werden. „Auch dafür, dass du das erste Grau an meinen Schläfen so geflissentlich übersiehst.“

„Komplimente sind dazu da, um angenommen zu werden“, wies sie mich mit leichtem Tadel zurecht und blinzelte bedeutsam. „Das gilt auch für Männer.“

Ja, richtig. Was außerdem für Männer gilt: Widersprich niemals einer Frau, schon gar nicht einer hübschen, die ehrlich meint, was sie sagt. Also prostete ich Christine zu und sagte: „Auf alle Komplimente!“, was sie mit dem typischen Blitzen in ihren Augen erwiderte.

Ich brauche also die Steirerin gar nicht, um offiziell bestätigt zu bekommen, dass ich auch noch mit 50- ein toller Hecht bin. (An topfit arbeite ich noch.) Wer jedoch glaubt, ich ginge zur Kosmetikerin, um meinem Goldberger-Effekt mittels schnöder Mittelchen und anderer Methoden der verschönernden Industrie nachzuhelfen, den muss ich leider enttäuschen. Priska und ihre Kolleginnen legen nur Hand an meine Zehennägel, die leider hin und wieder der unguten Art des schmerzhaften Einwachsens fröhnen. Das berührt meine Coolness nur insofern, als dass die Damen manchmal das Wasser für das Fußbad zu heiß einlassen.

Meine Attraktivität leidet nicht darunter. Nicht im Geringsten.

Feder

 

12. Februar 2018: 50% Rabatt auf Blödheit

Mit der durchaus praktischen Erfindung von E-Mails, die alsbald die schriftliche Post weltweit überflügelten, wurde huckepack eine weniger praktische Unterkategorie geliefert: die Spam-Mails. Zu Werbezwecken erfunden, verstopfen sie durch ihre schiere Menge sämtliche Posteingänge und erzeugen so ärgerlichen, weil unnötigen Mehraufwand für jeden Benutzer.

Hin und wieder sorgen Spams aber auch für Erheiterung. Manche Versender haben neben ihrer kriminellen eine ungewollt komische Ader und setzen sie unbewusst dafür ein, alles mögliche Zeug zu verkaufen, von riesigen Werkzeugkoffern um 50 Euro bis zu winzigen Pillen, die mannhafte Größe zum halben Preis vom Original versprechen. Sohin werde ich im Handumdrehen zum Heimwerkerkönig, und in der Nacht liegt das abgebildete, selbstredend superscharfe Model angesichts meiner befriedigenden Fähigkeiten erwartungsvoll in meinem selbstgehobelten Bett.

Aus dieser verlockenden Träumerei wecken mich zuverlässig die Finanzdienstleister unter den Spamern. Todsichere Investitionen an allen Ecken und Enden: Nigerianische Witwen, die das immense Vermögen ihres kürzlich verblichenen Gatten mit Hilfe meines Bankkontos außer Landes schaffen wollen und dafür Prozente weit jenseits der ortsüblichen Bankzinsen versprechen; sagenhafte Lottogewinne, für die ich nie ein Los gekauft habe; nicht zuletzt Kryptowährungen, die den persönlichen Geldspeicher schneller füllen, als es Dagobert Duck es jemals schaffen würde.

Aus der Gedankenwerkstatt Entenhausens stammt wohl auch  eine Mail, die vor wenigen Tagen eintrudelte. Der Text ließ mich erst stutzig werden und verursachte wenig später einen kaum zu entwirrenden Knoten in meinen mathematischen Ganglien.

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Ich gebe zu, das System von Finanzwerten, die quasi aus sich selbst generiert werden, nie richtig verstanden zu haben. Aber der Verkauf eines Produkts zum halben Preis, das keine handfeste Ware ist, sondern nur eine von stark schwankenden Kursen beeinflusste Zahl? Das riecht doch zu sehr nach Beschiss. Da könnte ich auch gleich in mein Stammcafé gehen und zu meiner Lieblingskellnerin sagen: „Hallo Lisa, ich brauche dringend Kleingeld. Hier ist ein Zehner. Gib mir bitte zwei Zwanziger heraus.“ Schlagfertig, wie sie ist, würde sie antworten: „Täte ich gerne, Hannes, aber mir sind gerade die Münzen ausgegangen.“

Oder ist alles ganz anders? Könnte es sein, dass der künftige Verlust in diesem Angebot schon eingepreist ist? In Anbetracht des derzeit rasanten Wertverlusts der Kryptowährungen eine realistische Möglichkeit. Mir schwant, da will mich jemand abzocken. Jedenfalls lasse ich die Finger davon, sofortige Verdopplung meines Einsatzes hin oder her.

Wo war doch gleich die Mail mit den winzigen Pillen? Vielleicht bringt mir das superscharfe Model dieses Husch-pfusch-Viagra persönlich zum Testen vorbei, wenn ich genug davon bestelle. Man wird ja noch träumen dürfen.

Feder

 

2. Februar 2018: Die kürzeste Satire des Jahres

Jetzt haben wir gerade einmal ein Zwölftel von 2018 hinter uns gebracht, doch eine Meldung, die gestern aus Bildschirmen und Zeitungen gesprungen ist, hat tatsächlich schon jetzt das Zeug, zur kürzesten Satire des Jahres gewählt zu werden: Der US-amerikanische Präsident Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis nominiert.

Nach dem ersten Schock ist es nicht einfach, klaren Kopf zu bewahren. Der Chronist versucht es dennoch und listet die plausibelsten Gründe dafür auf, warum diese Nominierung Sinn macht, nach dem in Amerika so beliebten Hitparadenschema. Hier sind sie also, meine Top Five:

Platz 5: Donald Trump schafft Steuergerechtigkeit. Erst einmal nur für sich, aber das ist ein guter Anfang. Steuererklärung gibt er schon lange keine mehr ab. Wozu auch? Wenn irgendwann die Unternehmenssteuern auf Null gesenkt sind, kräht kein Hahn mehr danach, wie oft er mit seinen Firmen Pleite gemacht hat.

Platz 4: Donald Trump wirkt völkerverbindend. Die tiefen Gräben zwischen Weißen und Schwarzen in seinem Land sind schon lange ein Dorn im Auge des Präsidenten. Also lässt er weiße Polizisten so lange auf Schwarze schießen, bis das Problem nach der Mengenlehre gelöst ist und kein Politiker aus Dreckslochstaaten länger einen Grund hat, ihn als Rassisten zu beschimpfen.

Platz 3: Donald Trump liebt die Frauen. Er ist der mächtigste Mann der Welt, hat ein Topmodel an seiner Seite und noch dazu den allergrößten … Atomknopf. Kein Wunder also, dass sich die gesamte Damenwelt von einem so tollen Hecht liebend gerne betatschen lässt. Bei Trump ist das übrigens keine Belästigung, sondern der Beweis dafür, dass er Frauen noch mehr liebt als sie ihn.

Platz 2: Donald Trump rettet den Weltfrieden. Wer über ihn lästert, versteht ihn nicht. Sein Gezwitscher gegen Araber, Afrikaner, Europäer, Demokraten, Umweltschützer, Menschenrechtler und Nordkorea hat nur den Sinn, von den echten Gefahren der Welt abzulenken. Wer nicht daran denkt, fürchtet sich nicht. Und was Kim Jong Un angeht: Der hat ohnehin den Kleineren.

Platz 1: Donald Trump wird die beste Nobelpreisrede aller Zeiten halten. „Ladies and Gentlemen! Norwegen hat, im Gegensatz zu Europa, erkannt, dass ich der größte, tollste, stärkste Präsident of all time bin. Deshalb schlage ich vor, jede Menge Flüchtlinge von dort aufzunehmen. Unter einer Bedingung: Wenn ihr nächstes Jahr den Preis an Crazy Kim, den verrückten Koreaner, vergebt, müsst ihr mir versprechen, dass er kleiner ist als meiner. God save the Queen, God bless America!“

Dann bin ich aufgewacht und hoffte kurz, alles möge nur ein böser Traum gewesen sein. Doch weit gefehlt. Donald Trump wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, bereits zum dritten Mal hintereinander. Nicht die kürzeste Satire des Jahres, sondern traurige Realität.

 Feder

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