Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

30. Mai 2020: Abstecher zu Mozart

Reisen ist keine bloße Tätigkeit. Viele Menschen sehen darin eine Herzensangelegenheit, bei manchen steigert es sich sogar zum Ritual, für das es, besonders am Beginn, festgelegte Regeln gibt. Bei mir regt sich als erstes Reisegefühl gleichmäßig steigender Unwille überhaupt wegzufahren, je näher der anvisierte Zeitpunkt kommt. Kaum bin ich unterwegs, kehrt auch schlagartig die Begeisterung zurück, aber bis dahin regiert ein kleines Teufelchen im Kopf, das beständig flüstert: "Gib's zu, eigentlich möchtest du viel lieber zuhause bleiben!"

Diesmal war das anders. Jede Faser in mir wollte weg, unterwegs sein, die Autoreifen über das hochrangige Straßennetz vulgo Autobahn rollen spüren, seit ich mich zu diesem Pfingstausflug entschlossen hatte. Schon in Graz wusste ich, woher dieses Gefühl kam: Ich hungerte nach frischen Eindrücken, Straßenlärm, neuen Gesichtern. Jedes Bild, von der Baustelle am Lazarettgürtel bis zum Kristallglas für mein Tonic im Kaffeehaus, war mir willkommen.

Nach einer von Vorfreude auf Salzburg erfüllten Fahrt, die ich von meiner Let's rock!-Playlist untermalen ließ (das Sachhörbuch über den menschlichen Körper war zweifellos interessant, hatte aber für die überbordende Begeisterung in mir eindeutig zu wenig Bumms), kehrte ich zu einem tollen Frühstück bei Onkel und Tante in Gaishorn ein. Während meiner Zeit in Salzburg war ihr schönes Haus mit Garten immer meine Labestation und ein Ort des herzlichen Willkommens gewesen. In einem Gedicht über die Heimfahrt nach Feldbach formulierte ich für die ganze Familie die Strophe "Nur einen Steinwurf weiter / Darf ich ein Haus betreten / Verwandtschaft, laut und heiter / Ich werde mich verspäten." Neben Pause und Verpflegung war es vor allem das für Stunden Miterleben-Dürfen einer Familie mit allem Drum und Dran, das diese Besuche für mich so wertvoll machte und stets dankbar sein lässt.

Nach dem Einchecken im gemütlichen Landgasthaus Allerberger - mein Stammhotel Kamml hat noch zu - warteten bereits die ersten Begegnungen mit Freunden auf mich. Zuerst mit Petra, die durch das Tagebuch eine Freundin meiner Bücher wurde. (Ha, KB, das hättest du mir nicht zugetraut, was? Auch ohne deinen Gauklercharme ist es möglich, neue Fans zu gewinnen!) Und danach mit Alexander, den Sie bereits aus der Folge Mein Filmfreund kennen. Vorher machte ich noch einen Abstecher auf den Mozartplatz. Als ich vor der Statue des Meisters stand, kam mir jenes satirische Gedicht zu den Jubiläumsfestspielen 2006 in den Sinn, das ich als einen der wenigen mehrstrophigen Texte auswendig rezitieren kann. Ich war wieder in meinem kleinen Paradies angekommen.

Was Mozart sagte

Lieber Wolfgang, Gott zum Gruß!
Du auch hier zum Kunstgenuss? -
Emanuel, ich muss dir sagen:
Schlecht is’ mir in diesen Tagen
Weil sie wieder alle spinnen
Oben, unten, draußen, drinnen
Was hilft’s, es is’ wieder soweit:
In Soizburg hama Festspielzeit -

Warum bist denn nicht zufrieden?
Ein ganzes Jahr ist dir beschieden
Von Kapstadt bis rauf zu den Schären
Gibt’s ein Fest zu deinen Ehren
Das ist Musikwahnsinn für alle
– Aber hier is’ die Zentrale! –
Streng bewacht von einem Adler
Namens Helga Rabl-Stadler -

Freilich ist er schön zu hören
Mozarts Klang in allen Sphären
Doch schau hinter die Kulissen
Viele geh’n nur, weil sie müssen
Von Jedermann gesehen werden
Was bleibt Himmlisches auf Erden?
Drunter sind ganz oft Banausen
Emanuel, mir kommt das Grausen!

Und dazu die neue Kunst!
Heli, Bauzaun, ois umsunst! -
Wie man hört, bei Gott nicht gratis
Doch Gesprächsstoff auf den Partys -
Genauso wie die schöne Anna
Wovon sie singt, versteht eh kaner!
Und was wird nachher diskutiert?
Freunde, wo habt’s reserviert? ...

Gibst du dir den Marathon
Deiner Opern, Ton für Ton? -
Schikaneder, ich sag’s offen:
Ich fühl’ mich gar net betroffen
Inszenierungen, die netten
Gibt’s nur bei den Marionetten
Höchstens noch mit den Studenten
Doch die leb’n von Alimenten

Und beim mir geweihten Haus
Kenn’ i mi bis heut’ net aus
Was soll das sein, a neue Deutung?
Für mich is’ es Geschmacksausbeutung
Von Leuten, die gar keinen haben
Da krächzen ja die Mönchsbergraben!
Die gelbe Straße passt dazu
Auf der siehst du jeden Schuh!

Dein Jubiläumsresümee? -
A Riesengschäft, a Riesenschmäh!
Doch es gibt a klans Geheimnis
Weißt, wer zehn Jahr’ do daheim is’?
Ein Dichter so wie du, a feiner
Reime setzt er wie kaum einer
Ich brauch’ a bissl Kunstgenesung
Komm, wir geh’n zu seiner Lesung!

Erkenntnis des Tages: Ich freue mich sehr darüber, dass die Salzburger Festspiele - obschon in verkleinerter Form - auch 100 Jahre nach ihrer Gründung stattfinden werden. Das Festival markiert ein wichtiges Zeichen für unsere Rückkehr zu vollem Gesellschafts- und Kulturleben. Die Durchführung im Jubiläumsjahr ist für Präsidentin Helga Rabl-Stadler ein großer Erfolg und ein würdevoller Abschluss ihrer beeindruckenden Karriere.

Zitat des Tages: "Aber die Festspiele sind doch erst im August!" (Meine Tante Anni hat in diesem Punkt recht. Für mich aber gilt: Wenn ich in Salzburg bin, ist immer Festspielzeit!)

Song des Tages: On The Road Again (In diesem Video beweist Countrystar Willie Nelson einmal mehr, dass es fürs Musizieren kein Alter gibt. Und fürs Reisen auch nicht.)
https://youtu.be/Gdlyi5mckg0

Feder

 

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