Der Kernölbotschafter trifft Señora Corona

Viel mehr als ein Tagebuch

 

24. Mai 2020: Mein Kinofreund

 Von Freundschaften war an dieser Stelle schon mehrfach die Rede; eine besondere möchte ich Ihnen heute vorstellen. Anlass ist die soeben eingetroffene Reservierungsbestätigung für mein Hotelzimmer Ich werde am kommenden Wochenende nach einem knappen Jahr wieder nach Salzburg fahren! Unsere Familienreise im vergangenen Advent, eine Tradition seit mehr als 25 Jahren, war aufgrund der schlechten Konstitution meines Vaters nicht möglich gewesen. Mein ebenfalls fixer Frühjahrstermin inklusive Therapiewoche in Bregenz fiel bekanntlich Señora Corona zum Opfer.

Weile ich allein in meiner früheren Wahlheimat, gehört ein gemeinsamer Kinobesuch mit Alexander immer dazu. Er war über vier Jahre ein Kollege in den Geschützten Werkstätten, wo er mir zum interessanten Gesprächspartner und Freund wurde. Mit ihm kann ich ganz spezielle Unterhaltungen führen – nur möglich, weil wir beide eine große Leidenschaft teilen: das Kino.

Folgen Sie mir in eine Episode der cineastischen Art. Und stellen Sie sich den Filmrätseln am Ende. Wer weiß, welche romantische Komödie mir die liebste ist? Bei welchem Film hat stets das ganze Kino gelacht? Ganz zum Schluss: Diese berühmte Filmmusik kennen auch alle, die nicht oder nur selten ins Kino gehen.

Geben Sie mir ein Ping, Vasili!

Sind Gleichgesinnte unter sich, so reden sie häufig von genau jenem Gleichen, nach dem ihnen der Sinn steht. Die geneigte Leserschaft kennt das: Hundefreunde reden von Hunden, Malfreunde von der Malerei und Filmfreunde – in Weiterführung dieser Logik – von Filmen. Dennoch stelle ich hier und jetzt die These auf, dass Letztgenannte mit einem kleinen Heiterkeitsvorsprung beschenkt sind, der sie um eine Spur leichter durchs Leben wandeln lässt.

Der Grund dafür: Ein Gemälde bleibt per Definition wortlos. Es steht nicht zu erwarten, dass die honorigen Bischöfe, die viele Wände in der Alten Residenz in Salzburg zieren, in den nächsten Jahren zum Leben erwachen und aus ihren Rahmen steigen werden. Somit bleibt auch das Gespräch im Rahmen – über sie und über die Kunst. Bei Hunden ist die Sache diffiziler, denn fraglos ist es möglich, mit ihnen zu reden. Was zurückkommt, kann mit viel Phantasie und Kenntnis in nonverbaler Tier-Mensch-Kommunikation sogar als Antwort interpretiert werden, doch das erste wörtliche Zitat eines Vierbeiners ist noch nicht überliefert.

Filmfreunde aber reden nicht nur über Filme. Sie haben eine eigene Form der Sprache entwickelt, die sich nur Eingeweihten offenbart, nach jahrelangem, intensivem Studium zahlloser Beispiele, vom Klassiker bis zum Schund. Allein wer durch diese harte Schule gegangen ist, bringt es zum Meister in der Königsdisziplin: der Unterhaltung in Filmzitaten.

„Ich schau dir in die Augen, Kleines.“ Wo das hingehört, muss ich hoffentlich niemandem erklären. Viele sehnsuchtsvolle Liebeserklärungen sind nach dieser Herzensoffenbarung wohl den Bach hinuntergegangen. Sohin ist es von großer Bedeutung, ein Zitat im richtigen Moment anzubringen. Im besten Fall erntet man Bewunderung oder sogar die unerwartete – weil passende – Antwort eines Eingeweihten. Die verwirrten Blicke Unwissender dienen im schlechtesten Fall der eigenen Erheiterung.

Neulich erhielt meine Kollegin Claudia am Platz gegenüber eine SMS auf ihr Handy. Der Ton, mit dem die Nachricht als eingegangen vermerkt wurde, war ein helles, reines PING, was mich laut auflachen ließ. Claudia schaute mich fragend an, also verwertete ich die Vorlage: „Geben Sie mir ein Ping, Vasili.“

Der Kollegin Verwirrung war augenscheinlich. Deshalb verzichtete ich auf die klassische Fortsetzung, musste sie aber zeitnah anbringen, um mich zu erfreuen. Wozu hat man Filmfreunde? Ich rief Alexander an, einen wahren Meister der Filmzitate, mir selbst haushoch überlegen. In kurzen Worten schilderte ich ihm die SMS-Szene von vorhin und schloss wieder mit den Worten: „Geben Sie mir ein Ping, Vasili.“

Und Alexander enttäuschte mich nicht: „Aber bitte nur ein einziges Ping!“

Unser doppelter Lachanfall eine Sekunde später war für mich das absolute Highlight des Tages.

Mein Lieblingszitat? Ich verrate es Ihnen. Der Gedanke daran ist wie ein Zwanzig-Sekunden-Urlaub, den ich mir hin und wieder von ganzem Herzen gönne.

„Es war einmal, an der Nordküste von Long Island, nicht weit von New York. Dort stand ein sehr, sehr großes Haus – beinah ein Schloss. Auf diesem Anwesen lebte ein kleines Mädchen. Das Leben war angenehm dort und wunderbar einfach.“

Kennen Sie den Titel dieses Liebesfilms? Meine immerwährende Hochachtung wird Ihnen gewiss sein. Falls nicht, muss ich sofort Alexander anrufen!

Erkenntnis des Tages: Zu Alexanders und meinem Leidwesen öffnen die heimischen Kinos ihre Pforten erst Anfang Juli. Macht aber nichts – wir zwei haben einen Lieblingsjapaner in Salzburg, wo wir uns definitiv einblenden werden. In Wahrheit geht es gar nicht um einen Film oder um das Essen. Es geht um alles, was in Gemeinschaft verbrachte Zeit wertvoll macht: Erinnerungen, Lachen, das Zelebrieren von Freundschaft.

 Zitat des Tages: „Ich bin so unzufrieden mit der Gesamtsituation!“ (Logischerweise stammt auch der Spruch heute aus einem Film. Wochenlang war dieser Satz ein Running Gag in Schulen, Büros und bei allgemeinen Beschwerden. Woraus stammt er? Und wer hat ihn zu wem gesagt?)

Filmmusik des Tages: Klicken und genießen Sie selbst (Als Jugendlicher glaubte ich tatsächlich, diese Hymne stünde am Beginn eines jeden Films!)
https://www.youtube.com/watch?v=_D0ZQPqeJkk

Feder

 

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