Satiren des Tages - Jänner 2018

 

25. Jänner 2018: Nur die Burger sind gleich geblieben

Ein wohlbekanntes Bild bei der amerikanischen Fleischlaberlversorgungsstation des Vertrauens am Wochenende: Der Familienvater schleppt ein mit Juniormenüs schwer beladenes Tablett zu einem freien Platz, während ein, zwei oder mehr gerade noch nicht oder seit kurzem schon schulpflichtige Nachwüchsige aufgeregt neben ihm herhüpfen, aufgeregt plappernd, was sie sich für den zweiten Gang wünschen.

Diese Szene beobachtete ich auch vor wenigen Tagen höchstselbst, doch nahm sie, zumindest in meinem persönlichen Kopfkino, eine völlig überraschende Wendung. Als ich mich nämlich mit meinem Standardmenü Spicy Filet Wrap & Stilles Mineralwasser zwecks Verzehr desselben niederließ, fiel mein Blick auf die Rückenansicht eines solchen Familienvaters, dessen beide Töchter bereits selig kauend beschäftigt waren. Genauer gesagt, auf sein T-Shirt.

I AM DEATH! I AM ETERNAL DARKNESS!

In krakeligem Silber auf schwarzem Grund. Darüber fand sich ein runenähnliches Zeichen, wie es Rumms- und Schepper-Bands jeglicher Provenienz gerne auf ihre Tonträger malen, um das Böse ihres Auftritts noch einmal um ein paar Grad ins Dunkelböse zu steigern.

Diese Botschaft, die gar nicht der glücklichen Eintracht jener kleinen Familie entsprechen wollte, brachte mein Fantasiekarussell ordentlich in Fahrt. Gut möglich, dass der Mann früher Sommers auf diversen Heavy Metal-Festivals zwischen Nordkap und Süditalien heimisch war wie der landläufige Schlagerfan heute bei Helene Fischer oder Andi Gabalier. Von manchen brachte er eine textile Erinnerung mit nach Hause.

Doch irgendwann waren die wilden Zeiten vorbei. Headbanging wurde von Kuscheltanz abgelöst, Heavy Metal von Babygeschrei, Bier im Plastikbecher von Mineralwasser. Nur die Burger sind gleich geblieben. Und heute, als kein sauberes Oberhemd zur Hand war, fiel es ihm wieder in die Hände, das T-Shirt einer anderen Ära. Die Erinnerung sorgte für einen warmen Nachhall.

Und so schließt sich ein Kreis. Ich bezweifle aber, dass der Mann vor vielen Jahren seinen Imbiss nach einer durchrockten und durchzechten Nacht mit ähnlichem Glück verzehrt hat wie jetzt, wenn er auf seine beiden Engel schaut. Mir scheint, er ist dankbar dafür.

Feder

 

23. Jänner 2018: Wenn Männer Kaffee machen

Es ist nicht mehr als ein weit verbreitetes Gerücht ohne jeden Wahrheitsgehalt, dass Männer keine guten Gastgeber seien. Die Einladung gestern bei meinem Freund Martin zum Kaffee bewies wieder einmal eindrucksvoll: Alles nur eine Frage der geraden Kommunikation unter Männern.

Martin: „Magst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“

Ich: „Nur Milch bitte.“

Martin: „Milch muss ich erst organisieren.“

Ich: „Dann trinke ich meinen Kaffee schwarz.“

Ganz anders Frauen: „Magst du einen Kaffee?“ – „Schon, aber extra für mich brauchst du keinen machen.“ Alles klar? Zum Glück wurde Nespresso erfunden. Eine Kapsel einwerfen, eine Taste drücken, fertig. Und mit ein bisschen Glück taucht George Clooney im Shop auf. What else?

Feder

 

21. Jänner 2018: Aus der Grauzone

Seit ewigen Zeiten schon hat in der kunterbunten Sonntagsbeilage der Kronenzeitung, die ihren Namen sohin mit allem Recht trägt, das Evangelium dieses Tages seinen Fixplatz. Und ebenso lange (zumindest gefühlt) interpretiert gleich daneben der katholische Oberhirte des Landes, Kardinal Christoph Schönborn, die Bibelstelle in gelehrter Art und Weise.

Wer aber heute nach erfolgtem Textstudium noch immer auf Erleuchtungssuche ist, dem wird diese nur wenige Seiten weiter zuteil. Das wahre Wort zum Sonntag findet sich diesmal in der Lust&Liebe-Kolumne von Frau Professor Doktor Gerti Senger. Es lautet – darauf würden Sie nie im Leben kommen – Grauzonensex.

Worum es dabei geht, mögen Interessierte selbst nachlesen; ich bin sicher, dass in der näheren Umgebung noch einige Zeitungsständer gut gefüllt sind und man sich nach einem kurzen Rundumblick ein Exemplar angeln kann. Den Euro, der gerade nicht in der Jackentasche vorrätig ist, kann man ja beim nächsten Mal guten Gewissens drauflegen.

Zweifellos sorgt jedoch schon allein das Wort für ausreichend Kopfkino und damit Stoff für spannende mediale Gefechte. Da ich an dieser Stelle nicht vorhabe, mich um Kopf und Kragen zu schreiben, behalte ich meine eigenen Interpretationen für mich. So verschieden Männlein und Weiblein nun einmal sind – manche Kommentare vermitteln derzeit den Eindruck, als hätte es diese Unterschiede bisher gar nicht gegeben –, wird die Bandbreite der Reaktionen von A wie Aufschrei bis Z wie Zustimmung reichen.

Jedenfalls ist zu hoffen, dass Frau Senger aus der Grauzone ein bisschen Farbe in die Diskussion bringt, wie es sich für ihr Medium gehört. In der Zwischenzeit warte ich auf den nächsten dichten Bodennebel und schaue, was passiert.

Feder

 

19. Jänner 2018: Prozentrechnen mit dem KAV

Wer ein gutes Beispiel dafür braucht, warum Österreich Milliarden für sein Gesundheitswesen ausgibt, aber die Gangbetten in den Spitälern trotzdem mehr statt weniger werden, findet dieses im Wirtschaftsteil der gestrigen Ausgabe der „Presse“. Der KAV (Wiener Krankenanstaltenverbund) hat 2006 eine Maschine zur automatischen Medikamentendosierung bestellt. Fetter Preis: eine Million Euro. Damit sollte alles schneller und somit billiger verteilt werden, hieß es damals – die Kosten wären also schwuppdiwupp wieder eingespielt.

Erstens kam es anders, zweitens teurer, als die Damen und Herren dachten. Das System funktionierte nämlich nie. Nochmals zum Mitschreiben: nicht zur Hälfte, nicht zu drei Viertel, nein, gar nie. Deshalb wurde das Projekt 2014 wieder eingestellt. Die Dauer dieser Farce rechnen Sie bitte selbst aus, mein Frustpotential ist längst aufgebraucht.

Doch es kommt noch schlechter. Im Zeitungsbericht stand weiters zu lesen, dass die Maschine, die (sagte ich das schon?) nie funktioniert hat, zuletzt an den Hersteller zurückverkauft wurde. Schlanker Preis: zehntausend Euro. Das bedeutet, der KAV hat dem Staat und damit jeder Steuerzahlerin und jedem Steuerzahler einen Verlust von knackigen 99 Prozent beschert. Mit allen Nebengeräuschen wie Wartung, Serviceverträgen und sinnlosen Reparaturen betrugen die Gesamtkosten laut Stadtrechnungshof sogar satte 1,63 Mille. Auf den Kaufpreis für einen Schrotthaufen wurden also noch einmal mit lockerer Hand knappe zwei Drittel draufgelegt.

Meine Tastatur ist schon so heiß vor Wut, dass ich mir gleich die Finger verbrennen werde. Also noch drei kurze Fragen an den KAV: 1. Wer schließt Verträge, die Zahlungen nicht mit der Funktionsfähigkeit des Kaufgegenstandes verknüpfen? 2. Wer prüft solche Verträge und gibt sie frei? Und 3., am Allerwichtigsten: Wer steht dafür gerade? Da die Geschichte nicht in Schilda, sondern ganz real in unserem schönen Lande spielt, dürften die Antworten bekannt sein – sie lauten für alle drei Fragen gleich: die anderen!

Bekannterweise handelt es sich nicht um einen bedauerlichen Einzelfall – das Chaos rund um den Neubau des Krankenhauses Wien Nord sei Interessierten zur Recherche empfohlen. Also muss sich sohin der gelernte Homo Austriacus nicht über Gangbetten wundern, sondern eher über die Tatsache, dass unser Gesundheitswesen überhaupt noch funktioniert. Aus dieser Perspektive steht jedes einzelne Gangbett halt noch immer auf einer Insel der Seligen namens Stadt Wien, die ihren Langzeitbürgermeister demnächst mit allen Ehren in die wohlverdiente Politikerpension entlassen wird.

Tu felix Austria!

Feder

12. Jänner 2018: Gottes Geschenk per Mail

Ein guter Tag beginnt mit einer guten Nachricht. Wenn diese Nachricht außerdem direkt ins persönliche Glückszentrum fährt, kann im Grunde überhaupt nichts mehr schiefgehen, oder?

Grüße, lieber Freund, Wie geht es dir und wie geht es deiner Familie? Mein Name ist Mavis Wanczyk aus den USA, am 24. August 2017, ich gewann $ 758.7 Millionen Powerball Jackpot Lotto. Mein Sieg war Gottes Geschenk an mich. Meine Wohltätigkeitsstiftung hat Sie als unseren glücklichen Begünstigten ausgewählt, die Summe von € 4.000.000,00 zu erhalten. Bitte kontaktieren Sie mich für alle Details …

Ist das nicht der Wahnsinn? Durch die Wohltätigkeit einer wildfremden Amerikanerin, die nichts anderes im Sinn hat als ihr ganz persönliches Glück mit mir zu teilen, ist die Erfüllung meiner (durchaus vorhandenen) materiellen Wünsche nur eine Mail entfernt.

Was mich einzig davon abhält, unverzüglich zu diesem Goldmariechen nach Trump-Land aufzubrechen und mich wie bei Moneymaker unter ihre Gelddusche zu stellen, ist die seltsame Tatsache, dass sie nicht die Erste ist, von der ich so verheißungsvolle elektronische Post erhalte. Würde ich alle Summen zusammenrechnen, die ich auf diesem Weg geschenkt, verdient, zugelost bekommen hätte, wäre ich heute schon zigfacher Mulitrillionär. Bis dahin aber hätten mich jene Summen, die ich vorab als „Bearbeitungsgebühr“ entrichten sollte, finanziell ruiniert.

Sohin wird es mit dem Geldsegen wohl noch ein Weilchen dauern. Als Liebhaber kleiner Geschenke würde ich mich schon über die Verbannung solcher Mails aus meinem Posteingang sehr freuen.

Eine Frage beschäftigt mich aber trotzdem: Wer hat dieser Singdrossel (Mavis, altenglisch) eigentlich gezwitschert, wann ich Geburtstag habe? Vielleicht schreibe ich ihr doch zurück.

Feder

 

10. Jänner 2018: Skandal um Heinzi

Wurde Heinz Christian Strache von Aliens entführt und durch eine Grinsekatze als Doppelgänger ersetzt? Dieser Schluss liegt nahe, wenn man jene Verwandlung betrachtet, die der FPÖ-Chef durchmacht, seit er Vizekanzler auf seinem Büroschild stehen hat.

Am Anfang war die Brille. Strache muss sich bei einem Blick in den Spiegel gedacht haben: „Das einzig Schneidige an mir ist nur noch mein Vornamenskürzel. Die Zeit als junger Oppositionshaudrauf ist wohl endgültig vorbei.“ Also beschloss er, ab sofort auf Staatsmann zu machen. Die Brille ließ ihn nicht nur älter, sondern auch seriöser wirken, was ihm schon bei den Koalitionsverhandlungen zugute kam. Dort war er auch nie der Gefahr verfänglicher Fotos ausgesetzt; statt drei Bier bestellte er nur noch ein stilles Wasser.

HC mäßigte auch seine Sprache. Sein politischer Instinkt machte ihm rasch klar, dass er als väterlicher Freund des juvenilen Kanzlers bei den Medien mehr reißt als durch das bloße Nachplappern einfältiger Kinderreime des Neo-Innenministers. Aus Daham statt Islam wurde sohin im Handumdrehen „Wir finden eine Lösung, die für unser Land am besten ist.“

Letzter Punkt auf der Verwandlungs-to-do-Liste: Der Vizekanzler nahm sich vor, sein Allgemeinwissen einige Stufen nach oben zu fahren. Unter dem Motto pimp my general knowledge surfte HC nächtelang durch Wikipedia-Seiten von A wie Alpenüberquerung Hannibals 218 v Chr. bis Z wie Zombiefilme. Bald danach war wieder ein Pressegespräch angesetzt, bei dem er mit seinem neu aufgeziegelten Hirnlexikon brillieren wollte. Kaum bekam der Vize vom Bundeskanzler das Wort zugeteilt, legte er schon los: „Wir machen es ab sofort in der Regierung wie die Spider Murphy Gang“, postulierte HC im Brustton der Überzeugung und setzte zitierend fort: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.“

Ein paar ältere Journalistenhasen, die in deutscher Popgeschichte sattelfest waren, blickten einander irritiert an. Diese Zeile hatte doch eine andere Combo berühmt gemacht, aber welche bloß? Ein besonders findiger Schreiberling erinnerte sich gleich an den größten Hit der von Strache genannten Band und konstruierte daraus die halblustige Schlagzeile Skandal um Heinzi!

Filme und Liedtexte sind klassische Zitatfallen, über die man schon einmal stolpern kann; deshalb wird der neue Vizekanzler seinen Fauxpas auch nicht so tragisch nehmen. Viel wichtiger ist, dass die Bundesregierung trotz zahlreicher kerniger Querschüsse ihrem selbst verordneten Höhenflug treu bleibt. Sonst könnte ein kurzer Sturzflug mit nachfolgendem Totalschaden namens Neuwahlen die fatale Folge sein. Sämtliche Geier der Opposition warten nur darauf.

Geier Sturzflug – so heißt die deutsche Band. Danke, Heinzi!

Und hier die beiden Originale:
https://www.youtube.com/watch?v=RUdyqJuJOAs
https://www.youtube.com/watch?v=Qqp4y3mbkJo

 

Feder

 

9. Jänner 2018: Späte Erleuchtung

Der Preis für die Dummheit des Tages wurde heute schon früh vergeben. Um halb elf meldeten die Radionachrichten, eine Salzburgerin (39) hatte beim Abräumen ihres Christbaums drei nicht abgebrannte Wunderkerzen entdeckt. Dies bescherte ihr eine Idee, die in ihren Gedanken als perfekt gemaltes Weihnachtsbild erschien: Noch einmal den Geist von Heiligem Abend und Christkind auferstehen lassen! Sich im hellen Schein der Spritzkerzen etwas wünschen, das 2018 mit absoluter Sicherheit in Erfüllung gehen wird!

Nur Sekunden, nachdem die gute Frau ihren wunderbaren Einfall in die Tat umsetzte, trat tatsächlich Erleuchtung ein. Diese stammte jedoch nicht vom Stern von Betlehem, der sich spontan zu einem Wiederholungsbesuch entschlossen hatte. Vielmehr waren die nach über zwei Wochen doch schon recht trockenen Zweige des Nadelbaums aufgrund des unerwartet plötzlichen Temperaturanstiegs in unmittelbarer Nähe Feuer und Flamme, im wahrsten Sinne der Worte.

Was dagegen gesprochen hätte, die Wunderkerzen fürs nächste Weihnachtsfest aufzuheben oder einfach zu entsorgen, war dem Radiobericht nicht zu entnehmen. Nachdem die Entflammte durch die rasche Reaktion eines Nachbarn zum Glück nur leicht verletzt und auch ihr Haus gerettet wurde, lassen sich immerhin zwei interessante Schlussfolgerungen ziehen: 1. Wer vor Ideen nur so sprüht, möge die Gefahr ungewollten Funkenfluges ernst nehmen. 2. Wenn späte Erleuchtungen zu Feuer und Flamme werden, sollte ein Kübel Wasser stets in Griffweite sein.

Feder

 

4. Jänner 2018: Wenn zwei schwindeln

„Einen Schilling für jedes Mal, wenn du mich anschwindelst.“ Das Sprichwort aus meiner Kindheit kam mir gestern in den Sinn, als ich zwei Meldungen im Internet las, deren Verbindung sich erst auf den zweiten Gedanken offenbart. 1. Google hat 2016 durch Steuerschlupflöcher 6,1 Milliarden Dollar gespart. 2. US-Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt genau 1.950 Unwahrheiten verbreitet. Er nennt das alternative Fakten, weil sein Intelligenzquotient offenbar nicht dafür ausreicht zu erkennen, dass sich diese beiden Begriffe gegenseitig ausschließen.

Ganz egal, denn für beide funktioniert es. Der Internetkonzern kommentierte lapidar, man halte sich in jedem Land an die geltenden Steuergesetze. Und Trump interessiert sich ohnehin nicht für Fakten, solange er den Größeren hat (Siehe die Tagessatire von gestern).

Zeit für eine kleine Milchmädchenrechnung: Für jede Lüge des mächtigsten Mannes der Welt sackt einer der mächtigsten Konzerne der Welt 3,128.205,13 Dollar an nicht bezahlter Steuer ein – Geld, das für Sozialausgaben fehlt. Fazit: Die Mächtigen erklären nicht nur die Lüge zur Wahrheit, wenn ihnen danach ist, sie verdienen noch dazu blendend damit. Auch ein Steuerschlupfloch ist nichts anderes als ein alternatives Faktum.

Schlechte Zukunftsaussichten für die Menschheit, wenn es 2018 und die Jahre danach so weitergeht. Es gibt aber Lösungen für das Schlamassel, das wir uns selbst aus purer Obrigkeitsgläubigkeit eingebrockt haben: 1. Weltweite Steuergesetze schaffen, die den Namen verdienen. 2. Beim nächsten Mal einen amerikanischen Präsidenten wählen, den das Amt verdient.

Feder

 

3. Jänner 2018: "Ich hab' den Größeren!"

Ich kenne kaum jemanden, der sich nicht gern an seine Kindergartenzeit zurückerinnert. Unbeschwerte Tage voll Lachen und Glückseligkeit, für die nur ein Glas Apfelsaft oder ein Tüteneis nötig war. Dazu das Entstehen eines Gefühls, das nicht benannt werden konnte und doch die Basis für ein gelingendes Leben legte: Freundschaft.

In der Sandkiste aber, da hörte die Freundschaft auf. Knallhart ging es darum, wer mit dem größeren knallroten Küberl mehr Sand aufhäufen und diesen danach mit dem größeren knallgrünen Schauferl plattklopfen konnte. Bei der Kampfausrüstung war ich durchaus ebenbürtig, nicht aber bei der Geschwindigkeit. Als die anderen Buben schon uneinnehmbare Trutzburgen errichtet hatten, lag vor mir noch immer ein unförmiger Sandberg.

Im Laufe der Jahre reifte in mir glücklicherweise die Erkenntnis, dass weder Küberlgröße noch Arbeitsgeschwindigkeit entscheidende Faktoren für Lebenserfolge darstellen. Vielmehr kommt es auf das Wie und das Was an – wofür setze ich meine Möglichkeiten am besten ein.

Nicht allen jedoch, und damit komme ich zum Punkt dieser Tagessatire, ist diese Entwicklung vergönnt. Das ist schade, denn außer dem Fokus auf das Wesentliche schenkt sie auch ein großes Maß an Gelassenheit. Und genau die fehlt dem mächtigsten Mann des Planeten.

US-Präsident Donald Trump wusste nichts Besseres, als auf die kindische Drohung von Babygesicht-Diktator Kim Jong Un aus Nordkorea („Der rote Knopf für die Atombomben ist immer auf meinem Schreibtisch!“) in gleicher Kindergartensprache zu antworten: „Dafür ist mein Knopf größer und auch viel mächtiger als deiner!“

Das Machogeplänkel zweier Egomanen, die einander wie stolze Pfauen ihre bunten Federn ins Gesicht halten, wäre amüsant, würde es sich nicht um zwei Militärführer von zumindest zweifelhafter geistiger Stabilität handeln. Wessen politischer Horizont nur dafür ausreicht, auf eine große Bombe mit einer noch größeren zu reagieren, dem sollte man wohl so rasch wie möglich die Codes für sein Lieblingsspielzeug wegnehmen. Ansonsten ist irgendwann alles Denken mit dieser einen Lösung ausgefüllt – und sie kommt zur Anwendung.

Ein Vorschlag zur Güte: Sämtliche Staatenlenker mit Atomwaffen vereinbaren einen gemeinsamen Termin in der Herrensauna. Dort wird unter notarieller Aufsicht überprüft, wer den Größten, Längsten, Dicksten hat. Eine weltweite Live-Übertragung des Events, in Deutschland moderiert von Florian Silbereisen und Helene Fischer, bringt bestimmt höhere Einschaltquoten als der Silvesterstadl und die Herrenabfahrt in Kitzbühel zusammen. Der Sieger darf sich obendrein mit Recht mächtigster Mann des Planeten nennen.

Dann ist vielleicht Ruhe – bis zur nächsten Wahl.

Feder

 

2. Jänner 2018: Déjà-vu für Aug' und Ohr

Wieder ein Jahr vergangen! Und noch dazu so schnell, dass ich meine Überzeugung, die erste Satire des Jahres 2017 könnte doch höchstens einen Monat alt sein, erst nach mehrmaliger Konsultation des aktuellen Datums als falsch akzeptierte.

Höchst bemerkenswert fand ich beim Stöbern in meiner satirischen Datenbank den Ort, an dem sich meine Eröffnungsgeschichte des vergangenen Jahres zugetragen hatte: beim McDonald’s in Feldbach. Vor allem deshalb, weil sich dort auch heute etwas beobachten ließ, das den Chronisten in die Tasten greifen lässt. Zudem weisen beide Episoden durchaus ähnliche Züge auf.

Zur Erinnerung: Vor einem Jahr beschwerte sich ein Pärchen im breitesten Südoststeirisch darüber, keine Ausgabe von Österreich im Zeitschriftenstand vorzufinden, einheimisches Zeugnis höchster Journalismus-Kunst. Heuer ging es ebenfalls um das Wort, jedoch um das gesprochene – sozusagen ein Déjà-vu für die Ohren.

Ich hatte gerade die formidable Schokosauce vom meinen Cappuccino krönenden Milchschaum gelöffelt, als drei Jungmänner um die Zwanzig mit ihren hoch beladenen Tabletts den Nebentisch anvisierten. Offensichtlich hatten sie mit mir – meine Ehrlichkeit zwingt mich zu dieser ironischen Spitze – nicht mehr gemeinsam als die Zugehörigkeit zur gleichen Spezies. Jeder einen beachtlichen Burgerfriedhof vor sich her schiebend, ließen sie ihre von Fastfood gestählten Luxuskörper auf den glücklicherweise stabilen Sitzmöbeln nieder, wickelten den erstandenen Kaloriennachschub geräuschvoll aus und begannen zu mampfen.

Der geneigte Leser mag an dieser Stelle zurecht einwenden, dass es sich bei der beschriebenen Szene um eine für den McDonald’s typische Alltäglichkeit handelt. Meiner deutschen Tastatur entweicht keinerlei Widerspruch; ich füge jedoch an, dass sich die Besonderheit schon wenige Sekunden später zu entwickeln begann. Kaum schlugen sich nämlich sechs Kiefer mahlend in von weitem als latschert erkennbare Weißbrothälften, fingen die drei zugehörigen Münder zeitgleich an, sich zu unterhalten.

Ich konnte es nicht glauben und noch weniger – in doppeltem Wortsinn! – verstehen. Sie redeten mampfend, antworteten mampfend, verneinten wortreich mampfend oder stimmten ebenso mampfend zu. Eine Sprache, die aus tiefstem Südoststeirisch und dem gleichzeitigen Genuss amerikanischen Schnellrestaurantfutters gebildet wird, hat bestimmt noch keinen Namen. (Vorschläge bitte an die Redaktion.) Und sie wurde bis heute, da bin ich mir absolut sicher, von keinem seriösen Wissenschaftler untersucht.

Meine Faszination endete in dem Moment, als der Anführer der eindrucksvollen Truppe (er versteckte den größten Bauch unter seinem knallroten Trainingsanzug, was ihm die Position des Alpha-Tiers verschaffte) in die kleine Runde blickte und verlauten ließ: „Üernoanaunanöra?“ Das Warten auf Antwort verbrachte er mit dem Verschlingen des letzten Bissens, dessen Größe zweifellos jedem Kuchenstück meiner Salzburger Lieblingskonditorei Tomaselli Konkurrenz machte. Beide Befragten stimmten zu; sohin erhob sich Knallrot schwerfällig und schritt breitbeinig zum Bestellterminal, um alsbald an der Budel die zweite Runde in Empfang zu nehmen.

Beinahe wehmütig erinnerte ich mich an das Pärchen von 2017, als ich Die Presse vor mir zuschlug, in wenigen Schlucken meine Kaffeetasse leerte und nach meiner Jacke griff. Auf der Tragödie zweiten Akt hatte ich keinen Appetit. Mir wurde klar, dass von nun an McDonald’s-Besuche akustisch sowie visuell von mampfenden Urlauten und ihren Verursachern begleitet sein würden. Jede Bestellung trug ab sofort ein grell leuchtendes Warnschild: „Hier geht’s zum Burgerfriedhof!“

Auch eine Form von Diät. Vielleicht die effizienteste aller Zeiten.

 

Feder