Wenn Festspielgäste leiden

Von den furchtbaren Leiden der Festspielgäste berichten die Salzburger Nachrichten am 1.9.2015 auf Seite 9 ihrer Regionalbeilage. Das italienische Ehepaar Matilde und Fulvio Galleano, beide seit fünfzehn Jahren treue Besucher des Festivals, war unterwegs zu Beethovens Missa Solemnis in Großen Festspielhaus, als es einen Parkschaden verursachte. (Der Artikel gibt nicht an, wer von den beiden hinter dem Steuer saß, doch gehen wir einmal ganz logisch davon aus, es war die Frau.) Die Diskussion mit dem Unfallgegner, so heißt es in dem Artikel weiter, führte zu keinem Ergebnis – wohl auch wegen der Sprachbarriere.

Und schon befinden sich alle Fantasierädchen in meinem Kopf in wilder Rotation. So oder so ähnlich hat sich der verbale Länderkampf nach dem Bums abgespielt:

„Scusi!“

„Nix Bussi, Gnädigste. An Busara habenS‘ ma in mein neuen Lack einig’macht.“

„Ma non è un problema. Quanta costa?“

„Von welcher problematischen Küste Sie kummen, is mir gleich. Hier geht’s auch net um Flüchtlinge, sondern um mei‘ Auto! Los, gemma Unfallbericht schreib’n.“

Das italienische Paar starrt völlig verständnislos auf das Versicherungsformular. Das bringt die Gegenseite noch mehr in Rage.

„Guat, wenn's mit eich net anders geht, ruf‘ i jetzt die Polizei!“

„Polizia? No, non abbiamo tempo!“

„Jo, i find‘ die G’schicht a zum Wana. Leider hob i grod ka Tempo eing’steckt!“

Herr und Frau Galleano stecken kurz die Köpfe zusammen, entscheiden sich schließlich für die Freiheit zur Kunst und gegen den Zwang zur Kontrolle. Sie winken zum Abschied mit den zwei Konzertkarten um 290 Euro und fahren davon.

Der Rest der Episode ist kurz, aber für die italienischen Kulturfreunde finanziell schmerzhaft. Obwohl sie am nächsten Tag bei der Polizei alles zugeben, was der Unfallgegner selbstredend angezeigt hat, setzt es eine Strafe von 250 Euro – wegen Fahrerflucht.

„In Italien wird die Polizei wegen eines kleinen Parkschadens nicht tätig“, zitiert die Zeitung den Versuch einer schwachen südländischen Ausrede. Klar, die Exekutive unserer Nachbarn ist einzig mit den fiskalen Kollateralschäden beschäftigt, die ein gewisser Silvio B. hinterlassen hat.

Fulvio und Matilde reagierten verärgert, schließt der Bericht. Sie stornierten ihre Buchungen für 2016 und informierten davon die Spitzen des Landes, der Stadt und der Festspiele. Am meisten freuen dürfte das jedoch all jene, die im nächsten Jahr rund um die Aufführungsorte ihre Autos sicher parken möchten.

Es ist wohl dem alljährlich grassierenden Festspielfieber zuzuschreiben, dass der ungenannte Journalist der SN hier aus Tätern Opfer macht, ohne mit der Feder zu zucken. Mir beschert der Vorfall eine spontane Geschäftsidee: Sollte ich im kommenden Sommer Geld brauchen – was ziemlich sicher der Fall sein wird –, überfalle ich einfach eine Bank. Wenn ich geschnappt werde, ziehe ich ganz locker eine Eintrittskarte aus der Tasche und rufe: „Tut mir leid, keine Zeit für die Polizei. Ich muss zum Fidelio!“

(Foto: Gmachl.com)

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